docs/cut

annotate cut.txt @ 19:a62964d0cc54

Verbesserungen durch diction(1) eingearbeitet
author markus schnalke <meillo@marmaro.de>
date Tue, 19 May 2015 08:04:05 +0200
parents b1e7b45fb3c8
children c0e589b92c52
rev   line source
meillo@6 1 cut - cut out selected fields of each line of a file
meillo@6 2 ----------------------------------------------------
meillo@6 3 markus schnalke <meillo@marmaro.de>
meillo@6 4 2015-05
meillo@0 5
meillo@0 6
meillo@1 7 Cut ist ein klassisches Programm im Unix-Werkzeugkasten.
meillo@8 8 In keinem ordentlichen Tutorial zur Shellprogrammierung fehlt
meillo@9 9 es, denn es ist ein schoenes, praktisches und anschauliches
meillo@9 10 Helferlein. Hier soll ein wenig hinter seine Fassade geschaut
meillo@9 11 werden.
meillo@0 12
meillo@0 13
meillo@4 14 Funktionsweise
meillo@4 15
meillo@8 16 Urspruenglich hatte cut zwei Modi, die spaeter um einen dritten
meillo@9 17 erweitert wurden. Cut schneidet entweder gewuenschte Zeichen aus
meillo@9 18 den Zeilen der Eingabe oder gewuenschte, durch Trennzeichen
meillo@8 19 definierte, Felder.
meillo@0 20
meillo@9 21 Der Zeichenmodus ist optimal geeignet um Festbreitenformate zu
meillo@19 22 zerteilen. Man kann damit beispielsweise bestimmte
meillo@9 23 Zugriffsrechte aus der Ausgabe von `ls -l' ausschneiden, in
meillo@9 24 diesem Beispiel die Rechte des Besitzers:
meillo@0 25
meillo@15 26 $ ls -l foo
meillo@15 27 -rw-rw-r-- 1 meillo users 0 May 12 07:32 foo
meillo@15 28
meillo@4 29 $ ls -l foo | cut -c 2-4
meillo@4 30 rw-
meillo@0 31
meillo@4 32 Oder die Schreibrechte des Besitzers, der Gruppe und der
meillo@4 33 Welt:
meillo@0 34
meillo@4 35 $ ls -l | cut -c 3,6,9
meillo@4 36 ww-
meillo@0 37
meillo@4 38 Mit cut lassen sich aber auch Strings kuerzen.
meillo@0 39
meillo@10 40 $ long=12345678901234567890
meillo@10 41 $ echo "$long" | cut -c -10
meillo@10 42 1234567890
meillo@0 43
meillo@10 44 Dieser Befehl gibt die ersten maximal 10 Zeichen von
meillo@15 45 `$long' aus. (Alternativ kann man hierfuer `printf
meillo@10 46 "%.10s\n" "$long"' verwenden.)
meillo@0 47
meillo@4 48 Geht es aber nicht um die Darstellung von Zeichen, sondern um
meillo@8 49 ihre Speicherung, dann ist `-c' nicht unbedingt geeignet.
meillo@17 50 Frueher, als US-ASCII noch die omnipraesente Zeichenkodierung
meillo@17 51 war, wurde jedes Zeichen mit genau einem
meillo@4 52 Byte gespeichert. Somit selektierte `cut -c' gleichermassen
meillo@4 53 sowohl Ausgabezeichen als auch Bytes. Mit dem Aufkommen von
meillo@4 54 Multibyte-Kodierungen (wie UTF-8) musste man sich jedoch von
meillo@4 55 dieser Annahme loesen. In diesem Zug bekam cut mit
meillo@9 56 POSIX.2-1992 einen Bytemodus (Option `-b'). Will man
meillo@4 57 also nur die ersten maximal 500 Bytes vor dem
meillo@0 58 Newline-Zeichen stehen haben (und den Rest stillschweigend
meillo@0 59 ignorieren), dann macht man das mit:
meillo@0 60
meillo@6 61 $ cut -b -500
meillo@0 62
meillo@4 63 Den Rest kann man sich mit `cut -b 501-' einfangen. Diese
meillo@19 64 Funktion ist insbesondere fuer POSIX wichtig, da man damit
meillo@8 65 Textdateien mit begrenzter Zeilenlaenge erzeugen kann.
meillo@4 66 [ http://pubs.opengroup.org/onlinepubs/9699919799/utilities/cut.html#tag_20_28_17
meillo@0 67
meillo@17 68 Wenn auch der Bytemodus neu eingefuehrt worden war, so sollte
meillo@17 69 er sich doch nur so verhalten wie der alte Zeichenmodus
meillo@17 70 normalerweise schon implementiert war. Beim Zeichenmodus aber
meillo@17 71 wurde eine neue Implementierungsweise gefordert. Das Problem
meillo@19 72 war folglich nicht, den neuen Bytemodus zu implementieren, sondern
meillo@10 73 den Zeichenmodus neu zu implementieren.
meillo@10 74
meillo@17 75 Neben dem Zeichen- und Bytemodus bietet cut noch den
meillo@17 76 Feldmodus, den man mit `-f' einleitet. Mit ihm
meillo@4 77 koennen Felder ausgewaehlt werden. Das Trennzeichen (per
meillo@19 78 Default der Tab) kann mit `-d' geaendert werden. Es gilt in
meillo@19 79 gleicher Weise fuer die Eingabe und die Ausgabe.
meillo@0 80
meillo@17 81 Der typische Anwendungsfall fuer cut im Feldmodus ist die
meillo@19 82 Auswahl von Information aus der passwd-Datei. Hier z.B. der
meillo@17 83 Benutzername und seine ID:
meillo@0 84
meillo@17 85 $ cut -d: -f1,3 /etc/passwd
meillo@17 86 root:0
meillo@17 87 bin:1
meillo@17 88 daemon:2
meillo@17 89 mail:8
meillo@9 90 ...
meillo@0 91
meillo@0 92 (Die Argumente fuer die Optionen koennen bei cut uebrigens
meillo@8 93 mit Whitespace abgetrennt oder direkt angehaengt folgen.)
meillo@0 94
meillo@17 95 Dieser Feldmodus ist fuer einfache tabellarische Dateien,
meillo@4 96 wie eben die passwd, gut geeignet. Er kommt aber schnell an
meillo@9 97 seine Grenzen. Gerade der haeufige Fall, dass an Whitespace
meillo@0 98 in Felder geteilt werden soll, wird damit nicht abgedeckt.
meillo@17 99 Der Delimiter kann bei cut nur genau ein Zeichen sein. Es kann
meillo@19 100 demnach nicht sowohl an Leerzeichen als auch an Tabs aufgetrennt
meillo@19 101 werden. Zudem unterteilt cut an jedem Trennzeichen. Zwei aneinander
meillo@4 102 stehende Trennzeichen fuehren zu einem leeren Feld. Dieses
meillo@8 103 Verhalten widerspricht den Erwartungen, die man an die
meillo@8 104 Verarbeitung einer Datei mit Whitespace-getrennten Feldern
meillo@8 105 hat. Manche Implementierungen von cut, z.B. die von FreeBSD,
meillo@17 106 haben deshalb Erweiterungen, die das gewuenschte Verhalten
meillo@17 107 fuer Whitespace-getrennte Felder bieten. Ansonsten, d.h. wenn
meillo@9 108 man portabel bleiben will, verwendet man awk in diesen
meillo@9 109 Faellen.
meillo@0 110
meillo@4 111 Awk bietet noch eine weitere Funktion, die cut missen
meillo@8 112 laesst: Das Tauschen der Feld-Reihenfolge in der Ausgabe. Bei
meillo@8 113 cut ist die Reihenfolge der Feldauswahlangabe irrelevant; ein
meillo@19 114 Feld kann selbst mehrfach angegeben werden. Dementsprechend gibt
meillo@19 115 der Aufruf
meillo@8 116 von `cut -c 5-8,1,4-6' die Zeichen Nummer 1, 4, 5, 6, 7 und 8
meillo@8 117 in genau dieser Reihenfolge aus. Die Auswahl entspricht damit
meillo@8 118 der Mengenlehre in der Mathematik: Jedes angegebene Feld wird
meillo@9 119 Teil der Ergebnismenge. Die Felder der Ergebnismenge sind
meillo@19 120 hierbei immer gleich geordnet wie in der Eingabe. Um die Worte
meillo@16 121 der Manpage von Version 8 Unix wiederzugeben: ``In data base
meillo@9 122 parlance, it projects a relation.''
meillo@16 123 [ http://man.cat-v.org/unix_8th/1/cut
meillo@19 124 Cut fuehrt demnach die Datenbankoperation Projektion auf
meillo@10 125 Textdateien aus. Die Wikipedia erklaert das folgendermassen:
meillo@7 126
meillo@7 127 Die Projektion entspricht der Projektionsabbildung aus der
meillo@7 128 Mengenlehre und kann auch Attributbeschränkung genannt
meillo@7 129 werden. Sie extrahiert einzelne Attribute aus der
meillo@7 130 ursprünglichen Attributmenge und ist somit als eine Art
meillo@7 131 Selektion auf Spaltenebene zu verstehen, das heißt, die
meillo@7 132 Projektion blendet Spalten aus.
meillo@7 133
meillo@8 134 [ http://de.wikipedia.org/wiki/Projektion_(Informatik)#Projektion
meillo@8 135
meillo@7 136
meillo@0 137 Geschichtliches
meillo@0 138
meillo@4 139 Cut erblickte 1982 mit dem Release von UNIX System III das
meillo@4 140 Licht der oeffentlichen Welt. Wenn man die Quellen von System
meillo@4 141 III durchforstet, findet man die Quellcodedatei cut.c mit dem
meillo@4 142 Zeitstempel 1980-04-11.
meillo@1 143 [ http://minnie.tuhs.org/cgi-bin/utree.pl?file=SysIII/usr/src/cmd
meillo@4 144 Das ist die aelteste Manifestation des Programms, die ich
meillo@17 145 aufstoebern konnte. Allerdings spricht die SCCS-ID im
meillo@19 146 Quellcode von Version 1.5. Es muss demzufolge noch eine
meillo@8 147 Vorgeschichte geben. Zu dieser habe ich leider keinen Zugang
meillo@8 148 gefunden.
meillo@9 149 XXX mail an TUHS
meillo@0 150
meillo@17 151 Nun ein Blick auf die BSD-Linie: Dort ist mein fruehester
meillo@17 152 Fund ein cut.c mit dem Dateimodifikationsdatum 1986-11-07
meillo@8 153 [ http://minnie.tuhs.org/cgi-bin/utree.pl?file=4.3BSD-UWisc/src/usr.bin/cut
meillo@8 154 als Teil der Spezialversion 4.3BSD-UWisc,
meillo@6 155 [ http://gunkies.org/wiki/4.3_BSD_NFS_Wisconsin_Unix
meillo@6 156 die im Januar 1987 veroeffentlicht wurde.
meillo@8 157 Die Implementierung unterscheidet sich nur minimal von der
meillo@8 158 in System III.
meillo@17 159 Im bekannteren 4.3BSD-Tahoe (1988) tauchte cut nicht auf.
meillo@17 160 Das darauf folgende 4.3BSD-Reno (1990) lieferte aber wieder
meillo@17 161 ein cut mit aus. Dieses cut war ein von Adam S. Moskowitz und
meillo@8 162 Marciano Pitargue neu implementiertes cut, das 1989 in BSD
meillo@8 163 aufgenommen wurde.
meillo@1 164 [ http://minnie.tuhs.org/cgi-bin/utree.pl?file=4.3BSD-Reno/src/usr.bin/cut
meillo@4 165 Seine Manpage
meillo@1 166 [ http://minnie.tuhs.org/cgi-bin/utree.pl?file=4.3BSD-Reno/src/usr.bin/cut/cut.1
meillo@4 167 erwaehnt bereits die erwartete Konformitaet mit POSIX.2.
meillo@17 168 Nun muss man wissen, dass POSIX.2 erst im September
meillo@19 169 1992 veroeffentlicht wurde, erst gut zwei Jahren nachdem die
meillo@17 170 Manpage und das Programm geschrieben worden waren. Das Programm
meillo@10 171 wurde folglich anhand von Arbeitsversionen des Standards
meillo@15 172 implementiert. Ein Blick in den Code bekraeftigt diese Vermutung.
meillo@15 173 In der Funktion zum parsen der Feldauswahlliste findet sich
meillo@15 174 dieser Kommentar:
meillo@0 175
meillo@15 176 This parser is less restrictive than the Draft 9 POSIX spec.
meillo@15 177 POSIX doesn't allow lists that aren't in increasing order or
meillo@15 178 overlapping lists.
meillo@9 179
meillo@15 180 Im Draft 11.2 (1991-09) fordert POSIX diese Flexibilitaet bereits
meillo@15 181 ein:
meillo@12 182
meillo@15 183 The elements in list can be repeated, can overlap, and can
meillo@15 184 be specified in any order.
meillo@15 185
meillo@19 186 Zudem listet Draft 11.2 alle drei Modi, waehrend in diesem
meillo@17 187 BSD cut nur die zwei alten implementiert sind. Es koennte also
meillo@17 188 sein, dass in Draft 9 der Bytemodus noch nicht vorhanden war.
meillo@17 189 Da ich keinen Zugang zu Draft 9 oder 10 finden konnte, war es mir
meillo@17 190 leider nicht moeglich, diese Vermutung zu pruefen. XXX
meillo@17 191
meillo@17 192 Die Versionsnummern und Aenderungsdaten der aelteren
meillo@17 193 BSD-Implementierungen kann man aus den SCCS-IDs, die vom
meillo@17 194 damaligen Versionskontrollsystem in den Code eingefuegt wurden,
meillo@15 195 ablesen. So z.B. bei 4.3BSD-Reno: ``5.3 (Berkeley) 6/24/90''.
meillo@12 196
meillo@12 197 Das cut der GNU Coreutils enthaelt folgenden Copyrightvermerk:
meillo@12 198
meillo@12 199 Copyright (C) 1997-2015 Free Software Foundation, Inc.
meillo@12 200 Copyright (C) 1984 David M. Ihnat
meillo@12 201
meillo@17 202 Der Code hat also recht alte Urspruenge. Wie aus weiteren
meillo@17 203 Kommentaren zu entnehmen ist, wurde der Programmcode zuerst von David
meillo@12 204 MacKenzie und spaeter von Jim Meyering ueberarbeitet. Letzterer
meillo@12 205 hat den Code 1992 auch ins Versionkontrollsystem eingestellt.
meillo@17 206 Weshalb die Jahre vor 1997, zumindest ab 1992, nicht im
meillo@17 207 Copyright-Vermerk auftauchen, ist unklar.
meillo@12 208
meillo@12 209 Trotz der vielen Jahreszahlen aus den 80er Jahren gehoert cut,
meillo@10 210 aus Sicht des urspruenglichen Unix, zu den juengeren Tools.
meillo@1 211 Wenn cut auch ein Jahrzehnt aelter als Linux, der Kernel, ist,
meillo@4 212 so war Unix doch schon ueber zehn Jahre alt, als cut das
meillo@19 213 erste Mal auftauchte. Insbesondere gehoerte cut noch nicht
meillo@4 214 zu Version 7 Unix, das die Ausgangsbasis aller modernen
meillo@4 215 Unix-Systeme darstellt. Die weit komplexeren Programme sed
meillo@4 216 und awk waren dort schon vertreten. Man muss sich also
meillo@4 217 fragen, warum cut ueberhaupt noch entwickelt wurde, wo es
meillo@9 218 schon zwei Programme gab, die die Funktion von cut abdecken
meillo@9 219 konnten. Ein Argument fuer cut war sicher seine Kompaktheit und
meillo@4 220 die damit verbundene Geschwindigkeit gegenueber dem damals
meillo@17 221 traegen awk. Diese schlanke Gestalt ist es auch, die der
meillo@17 222 Unix-Philosopie entspricht: Mache eine Aufgabe und die richtig!
meillo@9 223 Cut ueberzeugte. Es wurde in andere Unix Varianten uebernommen,
meillo@9 224 standardisiert und ist heutzutage ueberall anzutreffen.
meillo@1 225
meillo@9 226 Die urspruengliche Variante (ohne -b) wurde schon 1985 in
meillo@5 227 der System V Interface Definition, einer wichtigen formalen
meillo@9 228 Beschreibung von UNIX System V, spezifiziert und tauchte
meillo@9 229 anschliessend in allen relevanten Standards auf. Mit POSIX.2
meillo@9 230 im Jahre 1992 wurde cut zum ersten Mal in der heutigen Form
meillo@9 231 (mit -b) standardisiert.
meillo@15 232 XXX sicher?
meillo@1 233
meillo@1 234
meillo@9 235 Multibyte-Unterstuetzung
meillo@8 236
meillo@8 237 Nun sind der Bytemodus und die damit verbundene
meillo@8 238 Multibyte-Verarbeitung des POSIX-Zeichenmodus bereits seit
meillo@8 239 1992 standardisiert, wie steht es aber mit deren Umsetzung?
meillo@10 240 Welche Versionen implementieren POSIX korrekt?
meillo@17 241 Die Situation ist dreiteilig: Es gibt historische
meillo@8 242 Implementierungen, die nur -c und -f kennen. Dann gibt es
meillo@10 243 Implementierungen die -b zwar kennen, es aber lediglich als Alias
meillo@8 244 fuer -c handhaben. Diese Implementierungen funktionieren mit
meillo@8 245 Single-Byte-Encodings (z.B. US-ASCII, Latin1) korrekt, bei
meillo@17 246 Multibyte-Encodings (z.B. UTF-8) verhaelt sich ihr -c aber
meillo@8 247 wie -b (und -n wird ignoriert). Schliesslich gibt es noch
meillo@8 248 Implementierungen, die -b und -c tatsaechlich POSIX-konform
meillo@8 249 implementieren.
meillo@8 250
meillo@17 251 Historische Zwei-Modi-Implementierungen sind z.B. die von
meillo@8 252 System III, System V und die aller BSDs bis in die 90er.
meillo@8 253
meillo@10 254 Pseudo-Multibyte-Implementierungen bieten GNU und die
meillo@17 255 modernen NetBSDs und OpenBSDs. Man darf sich sicher fragen,
meillo@15 256 ob dort ein Schein von POSIX-Konformitaet gewahrt wird.
meillo@15 257 Teilweise findet man erst nach genauerer Suche heraus, dass
meillo@15 258 -c und -n nicht wie erwartet funktionieren; teilweise machen es
meillo@17 259 sich die Systeme auch einfach, indem sie auf
meillo@17 260 Singlebyte-Zeichenkodierungen beharren, das aber dafuer meist
meillo@17 261 klar darlegen:
meillo@8 262
meillo@15 263 Since we don't support multi-byte characters, the -c and -b
meillo@15 264 options are equivalent, and the -n option is meaningless.
meillo@8 265
meillo@16 266 [ http://cvsweb.openbsd.org/cgi-bin/cvsweb/src/usr.bin/cut/cut.c?rev=1.18&content-type=text/x-cvsweb-markup
meillo@8 267
meillo@8 268 Tatsaechlich standardkonforme Implementierungen, die
meillo@8 269 Multibytes korrekt handhaben, bekommt man bei einem modernen
meillo@8 270 FreeBSD und bei den Heirloom Tools. Bei FreeBSD hat Tim Robbins
meillo@9 271 im Sommer 2004 den Zeichenmodus POSIX-konform reimplementiert.
meillo@8 272 [ https://svnweb.freebsd.org/base?view=revision&revision=131194
meillo@8 273 Warum die beiden anderen grossen BSDs diese Aenderung nicht
meillo@8 274 uebernommen haben, bleibt offen. Es scheint aber an der im
meillo@8 275 obigen Kommentar formulierten Grundausrichtung zu liegen.
meillo@8 276
meillo@17 277 Wie findet man nun als Nutzer heraus, ob beim cut(1) des eigenen
meillo@8 278 Systems Multibytes korrekt unterstuetzt werden? Zuerst ist
meillo@8 279 entscheidend, ob das System selbst mit einem Multibyte-Encoding
meillo@17 280 arbeitet, denn tut es das nicht, dann entsprechen sich
meillo@9 281 Zeichen und Bytes und die Frage eruebrigt sich. Man kann das
meillo@9 282 herausfinden indem man sich das Locale anschaut, aber einfacher
meillo@9 283 ist es, ein typisches Mehrbytezeichen, wie z.B. einen Umlaut,
meillo@9 284 auszugeben und zu schauen ob dieses in einem oder in mehreren
meillo@9 285 Bytes kodiert ist:
meillo@8 286
meillo@8 287 $ echo ä | od -c
meillo@8 288 0000000 303 244 \n
meillo@8 289 0000003
meillo@8 290
meillo@8 291 In diesem Fall sind es zwei Bytes: oktal 303 und 244 . (Den
meillo@8 292 Zeilenumbruch fuegt echo(1) hinzu.)
meillo@8 293
meillo@9 294 Mit dem Programm iconv(1) kann man Text explizit in bestimmte
meillo@10 295 Kodierungen konvertieren. Hier Beispiele, wie die Ausgabe
meillo@10 296 bei Latin1 und wie sie bei UTF-8 aussieht.
meillo@8 297
meillo@8 298 $ echo ä | iconv -t latin1 | od -c
meillo@8 299 0000000 344 \n
meillo@8 300 0000002
meillo@8 301
meillo@8 302 $ echo ä | iconv -t utf8 | od -c
meillo@8 303 0000000 303 244 \n
meillo@8 304 0000003
meillo@8 305
meillo@8 306 Die Ausgabe auf dem eigenen System (ohne die iconv-Konvertierung)
meillo@8 307 wird recht sicher einer dieser beiden Ausgaben entsprechen.
meillo@8 308
meillo@8 309 Nun zum Test der cut-Implementierung. Hat man ein UTF-8-System,
meillo@17 310 dann sollte sich eine POSIX-konforme Implementierung folgendermassen
meillo@17 311 verhalten:
meillo@8 312
meillo@18 313 $ echo ä | cut -c 1 | od -c
meillo@10 314 0000000 303 244 \n
meillo@8 315 0000003
meillo@8 316
meillo@18 317 $ echo ä | cut -b 1 | od -c
meillo@10 318 0000000 303 \n
meillo@8 319 0000002
meillo@8 320
meillo@18 321 $ echo ä | cut -b 1 -n | od -c
meillo@10 322 0000000 \n
meillo@10 323 0000001
meillo@10 324
meillo@10 325 Bei einer Pseudo-POSIX-Implementierung ist die Ausgabe in
meillo@10 326 allen drei Faellen wie die mittlere: Es wird das erste Byte
meillo@10 327 ausgegeben.
meillo@8 328
meillo@8 329
meillo@8 330 Implementierungen
meillo@8 331
meillo@9 332 Nun ein Blick auf den Code. Betrachtet wird eine Auswahl an
meillo@9 333 Implementierungen.
meillo@9 334
meillo@9 335 Fuer einen ersten Eindruck ist der Umfang des Quellcodes
meillo@9 336 hilfreich. Typischerweise steigt dieser ueber die Jahre an. Diese
meillo@8 337 Beobachtung kann hier in der Tendenz, aber nicht in jedem Fall,
meillo@17 338 bestaetigt werden. Die POSIX-konforme Umsetzung des Zeichenmodus
meillo@17 339 erfordert zwangslaeufig mehr Code, deshalb sind diese
meillo@17 340 Implementierungen tendenziell umfangreicher.
meillo@8 341
meillo@8 342
meillo@9 343 SLOC Zeilen Bytes Gehoert zu Dateidatum Kategorie
meillo@9 344 -----------------------------------------------------------------
meillo@17 345 116 123 2966 System III 1980-04-11 (hist)
meillo@17 346 118 125 3038 4.3BSD-UWisc 1986-11-07 (hist)
meillo@17 347 200 256 5715 4.3BSD-Reno 1990-06-25 (hist)
meillo@17 348 200 270 6545 NetBSD 1993-03-21 (hist)
meillo@9 349 218 290 6892 OpenBSD 2008-06-27 (pseudo)
meillo@17 350 224 296 6920 FreeBSD 1994-05-27 (hist)
meillo@9 351 232 306 7500 NetBSD 2014-02-03 (pseudo)
meillo@9 352 340 405 7423 Heirloom 2012-05-20 (POSIX)
meillo@9 353 382 586 14175 GNU coreutils 1992-11-08 (pseudo)
meillo@9 354 391 479 10961 FreeBSD 2012-11-24 (POSIX)
meillo@9 355 588 830 23167 GNU coreutils 2015-05-01 (pseudo)
meillo@8 356
meillo@8 357
meillo@9 358 Das Kandidatenfeld teilt sich grob in vier Gruppen: (1) Die zwei
meillo@9 359 urspruenglichen Implementierungen, die sich nur minimal
meillo@9 360 unterscheiden, mit gut 100 SLOCs. (2) Die fuenf BSD-Versionen mit
meillo@9 361 gut 200 SLOCs. (3) Die zwei POSIX-konformen Programme und
meillo@17 362 die alte GNU-Version mit 340-390 SLOCs. Und schliesslich (4) die
meillo@17 363 moderne GNU-Variante mit fast 600 SLOCs.
meillo@8 364
meillo@9 365 Die Abweichung zwischen logischen Codezeilen (SLOC, ermittelt mit
meillo@9 366 SLOCcount) und der Anzahl von Zeilenumbruechen in der Datei (`wc
meillo@18 367 -l') erstreckt sich ueber eine Spanne von Faktor 1.06 bei den
meillo@19 368 aeltesten Vertretern bis zu Faktor 1.5 bei GNU. Den groessten
meillo@19 369 Einfluss darauf haben Leerzeilen, reine Kommentarzeilen und
meillo@9 370 die Groesse des Lizenzblocks am Dateianfang.
meillo@8 371
meillo@9 372 Betrachtet man die Abweichungen zwischen den logischen Codezeilen
meillo@9 373 und der Dateigroesse (`wc -c'), so pendelt das Teilnehmerfeld
meillo@9 374 zwischen 25 und 30 Bytes je Anweisung. Die Heirloom-Implementierung
meillo@9 375 weicht mit nur 21 nach unten ab, die GNU-Implementierungen mit
meillo@17 376 fast 40 nach oben. Bei GNU liegt dies hauptsaechlich an deren
meillo@9 377 Programmierstil, mit spezieller Einrueckung und langen Bezeichnern.
meillo@9 378 Ob man die Heirloom-Implementierung als besonders kryptisch
meillo@9 379 oder als besonders elegant bezeichnen will, das soll der
meillo@18 380 eigenen Einschaetzung des Lesers ueberlassen bleiben. Vor allem
meillo@18 381 der Vergleich mit einer GNU-Implementierung ist eindrucksvoll.
meillo@8 382
meillo@8 383
meillo@17 384 Die interne Struktur der Programmcodes (in C) ist meist aehnlich.
meillo@17 385 Neben der obligatorischen main-Funktion, die die Kommandozeilenargumente
meillo@11 386 verarbeitet, gibt es im Normalfall eine Funktion, die die
meillo@13 387 Feldauswahl in eine interne Datenstruktur ueberfuehrt. Desweiteren
meillo@11 388 haben fast alle Implementierungen separate Funktionen fuer die
meillo@19 389 zwei oder drei Modi. Bei den POSIX-konformen Implementierungen
meillo@11 390 wird die `-b -n'-Kombination als weiterer Modus behandelt, und
meillo@11 391 damit in einer eigenen Funktion umgesetzt. Nur bei der fruehen
meillo@11 392 System III-Implementierung (und seiner 4.3BSD-UWisc-Variante)
meillo@17 393 wird ausser den Fehlerausgaben alles in der main-Funktion
meillo@17 394 erledigt.
meillo@11 395
meillo@15 396 Cut-Implementierungen haben typischerweise zwei limitierende
meillo@15 397 Groessen: Die Maximalanzahl unterstuetzter Felder und die maximale
meillo@17 398 Zeilenlaenge. Bei System III sind beide Groessen auf 512 begrenzt.
meillo@17 399 4.3BSD-Reno und die BSDs der 90er Jahre haben ebenfalls fixe
meillo@17 400 Grenzen (_BSD_LINE_MAX bzw. _POSIX2_LINE_MAX). Bei modernen
meillo@17 401 FreeBSDs, NetBSDs, bei allen GNU-Implementierungen und bei
meillo@17 402 Heirloom kann sowohl die Felderanzahl als auch die maximale
meillo@18 403 Zeilenlaenge beliebig gross werden; der Speicher dafuer wird
meillo@17 404 dynamisch alloziiert. OpenBSD ist ein Hybrid aus fixer
meillo@17 405 Maximalzahl an Feldern, aber beliebiger Zeilenlaenge. Die
meillo@17 406 begrenzte Felderanzahl scheint jedoch kein Praxisproblem
meillo@17 407 darzustellen, da _POSIX2_LINE_MAX mit mindestens 2048 durchaus
meillo@17 408 gross genug sein sollte.
meillo@11 409
meillo@8 410
meillo@2 411 Beschreibungen
meillo@1 412
meillo@19 413 Interessant ist zudem ein Vergleich der Kurzbeschreibungen von
meillo@17 414 cut, wie sie sich in der Titelzeile der Manpages oder manchmal
meillo@19 415 am Anfang der Quellcodedatei finden. Die folgende Liste
meillo@9 416 ist grob zeitlich geordnet und nach Abstammung gruppiert:
meillo@3 417
meillo@3 418
meillo@2 419 System III cut out selected fields of each line of a file
meillo@3 420 System III (src) cut and paste columns of a table (projection of a relation)
meillo@2 421 System V cut out selected fields of each line of a file
meillo@2 422 HP-UX cut out (extract) selected fields of each line of a file
meillo@2 423
meillo@3 424 4.3BSD-UWisc (src) cut and paste columns of a table (projection of a relation)
meillo@2 425 4.3BSD-Reno select portions of each line of a file
meillo@2 426 NetBSD select portions of each line of a file
meillo@7 427 OpenBSD 4.6 select portions of each line of a file
meillo@2 428 FreeBSD 1.0 select portions of each line of a file
meillo@10 429 FreeBSD 10.0 cut out selected portions of each line of a file
meillo@2 430 SunOS 4.1.3 remove selected fields from each line of a file
meillo@2 431 SunOS 5.5.1 cut out selected fields of each line of a file
meillo@2 432
meillo@8 433 Heirloom Tools cut out selected fields of each line of a file
meillo@9 434 Heirloom Tools (src) cut out fields of lines of files
meillo@2 435
meillo@2 436 GNU coreutils remove sections from each line of files
meillo@2 437
meillo@2 438 Minix select out columns of a file
meillo@2 439
meillo@2 440 Version 8 Unix rearrange columns of data
meillo@2 441 ``Unix Reader'' rearrange columns of text
meillo@2 442
meillo@9 443 POSIX cut out selected fields of each line of a file
meillo@2 444
meillo@9 445
meillo@9 446 Die mit ``(src)'' markierten Beschreibungen sind aus dem
meillo@17 447 jeweiligen Quellcode entnommen. Der POSIX-Eintrag enthaelt
meillo@18 448 die Beschreibung im Standard. Der ``Unix Reader'' ist ein
meillo@17 449 rueckblickendes Textdokument von Doug McIlroy, das das
meillo@18 450 Auftreten der Tools in der Geschichte des Research Unix zum
meillo@17 451 Thema hat.
meillo@16 452 [ http://doc.cat-v.org/unix/unix-reader/contents.pdf
meillo@17 453 Eigentlich sollte seine Beschreibung der in Version 8 Unix
meillo@19 454 entsprechen. Die Abweichung koennte ein Uebertragungsfehler
meillo@19 455 oder eine nachtraegliche Korrektur sein. Alle uebrigen
meillo@19 456 Beschreibungen entstammen den Manpages.
meillo@5 457
meillo@9 458 Oft ist mit der Zeit die POSIX-Beschreibung uebernommen
meillo@17 459 oder an sie angeglichen worden, wie beispielsweise bei FreeBSD.
meillo@5 460 [ https://svnweb.freebsd.org/base?view=revision&revision=167101
meillo@5 461
meillo@7 462 Interessant ist, dass die GNU coreutils seit Anbeginn vom
meillo@5 463 Entfernen von Teilen der Eingabe sprechen, wohingegen die
meillo@5 464 Kommandozeilenangabe klar ein Auswaehlen darstellt. Die
meillo@19 465 Worte ``cut out'' sind vielleicht auch zu missverstaendlich.
meillo@19 466 HP-UX hat sie deshalb praezisiert.
meillo@5 467
meillo@19 468 Beim Begriff, was selektiert wird, ist man sich ebenfalls
meillo@17 469 uneins. Die Einen reden von Feldern (POSIX), Andere von
meillo@17 470 Abschnitten bzw. Teilen (BSD) und wieder Andere von Spalten
meillo@5 471 (Research Unix). Ironischerweise leistet sich gerade Version
meillo@5 472 8 Unix, das eigentlich um eine sehr treffende Weltsicht
meillo@5 473 bemueht ist, mit ``rearrange columns of data'' die
meillo@5 474 unzutreffendste der Beschreibungen.
meillo@5 475
meillo@5 476
meillo@6 477 Autoreninfo
meillo@6 478
meillo@6 479 Markus Schnalke interessiert sich fuer die Hintergruende
meillo@6 480 von Unix und seinen Werkzeugen. Fuer die Erarbeitung dieses
meillo@6 481 Textes wurde er regelrecht zum Historiker.
meillo@6 482
meillo@6 483
meillo@6 484 Lizenz
meillo@10 485
meillo@6 486 CC0 (und kann damit auch unter CC BY-SA 4.0 Unported
meillo@6 487 veroeffentlicht werden)