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author markus schnalke <meillo@marmaro.de>
date Fri, 13 Mar 2015 17:50:00 +0100
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files gr-u.txt
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+Dreimal Großes U
+----------------
+
+markus schnalke <meillo@marmaro.de>
+2015-03
+
+
+Dies ist eine Tourenbeschreibung und ein Erfahrungsbericht einer 13-
+bis 17-stündigen Wanderung über 20 Gipfel rund ums Gunzesrieder Tal.
+
+
+Seit meiner Kindheit bin ich regelmäßig auf dem Alten Höfle in
+Gunzesried Säge. Unzählige Wochenenden habe ich dort verbracht, zu
+allen Jahreszeiten. Die üblichen Halbtagestouren an den Hausbergen kenne
+ich wie aus der Westentasche. Wenn ich auch nicht die Freude an ihnen
+verloren habe, reizen mich doch auch neue Herausforderungen im bekannten
+Gebiet. Und da gibt es doch dieses ``Große U''. Mir kam es viele Jahre
+mehr wie eine Legende als wie eine konkrete Tour vor, jedenfalls habe ich
+nie von jemandem gehört, der es gegangen wäre. Es waren nur hier und da
+Andeutungen abends am Kachelofen. Auf uns Kinder machte das natürlich
+mächtig Eindruck. So entwickelte sich daraus ein Mythos, der aber im
+Erwachsenenalter gar nicht mehr so fern und unerreichbar erschien.
+
+Gemeinsam mit meinem Cousin Michael (damals 26; ich 28 Jahre) brach
+ich 2012 zu dieser Tour auf -- mit Erfolg. 2013 wiederholte ich die
+Wanderung alleine. 2014 nochmals mit meiner Freundin Lydia an der Seite.
+
+
+= Die Route
+
+Der Start des Rundkurses ist Gundesried Säge, in unserem Fall das Alte
+Höfle. Nach dem Aufstieg auf den Mittag, geht es über die Nagelfluhkette
+bis zum Hochgrat. Dort muss zur anderen Talseite gewechselt werden:
+Abstieg zum Pass Scheidwang und erneuter Aufstieg auf den Heidenkopf. Dann
+südlich bis zum Riedbergerhorn und schließlich gen Osten und dann
+über die Hörner zurück nach Säge. Alles in allem sind 20 Gipfel zu
+besteigen. (Bei 21 Bergen, da es keinen Weg auf den Gipfel des Sigiswanger
+Horns gibt.) Die Wegstrecke umfasst gut 42 Kilometer; es sind rund je
+2400 Höhenmeter an bedeutenden Auf- und Abstiegen zu leisten.
+
+
+= Unsere Planungen
+
+Ohne Erfahrungswerte von bekannten Begehungen waren wir bei unseren
+Planungen auf uns selbst gestellt. Die einzige vorhandene Information
+war die Offensichtlichkeit, dass man sehr früh -- im Dunkeln also
+-- losgehen müsse und erst spät abends zurück kehren würde. Mit
+Kartenstudie und Überschlagsrrechnung kamen wir auf etwa 20 Stunden
+Gehzeit. Wir vermuteten zwar, dass wir schneller sein würden, aber uns
+war nicht klar wieviel Pause wir brauchen würden und wie sehr unsere
+Geschwindigkeit gegen Ende nachlassen würde. Ebenso waren wir unsicher
+mit unserer Proviant- und Gepäckplanung. Wieviel sollten wir zu Essen
+und zu Trinken mitnehmen? Wo würden wir Wasser nachfüllen können? Wie
+würde das Wetter werden?
+
+Wir wollten am Gepäck sparen, um schnell zu sein. Unser Gepäck war gut
+gewählt. Bei meinen zwei weiteren Begehungen blieb es fast unverändert.
+
+Gut an der Route ist, dass es eine Vielzahl von Abbruchmöglichkeiten
+gibt. Wir konnten beruhigt los ziehen, denn selbst wenn wir uns stark
+verplant hätten, wären wir keinem Risiko ausgesetzt gewesen.
+
+
+= Erste Begehung
+
+So starteten wir am 1. August 2012 um 05:20 Uhr früh. Nach einem
+kleinen Frühstück ging's mit Stirnlampen los. Kurz vor der Vorderen
+Krumbachalpe begrüßte uns die Sonne. Auf dem Mittag zogen wir unsere
+Jacken aus und schmierten uns mit Sonnencreme ein -- der Tag begann
+schön zu werden. Schon am Steineberg schwitzen wir mächtig, trotz
+kurzer Hose und ärmellosem Shirt.
+
+Am Sederer wären wir fast vorbei gegangen. Das brachte uns ein paar
+steile Höhenmeter über die Wiese ein. Direkt anschließend hinunter zum
+Sattel war die erste unangenehme Belastung für unsere Oberschenkel. Ach,
+wenn man solche Abschnitte halt durchgehend in den Knien federnd joggen
+könnte!
+
+10 Uhr. Der Aufstieg zum Rindalphorn war die Hölle. Die Sonne brannte
+erbarmungslos auf uns herab. Kein Schatten. Steiler Weg. Das Wasser musste
+noch bis zur Hochgratbahnstation reichen, wo wir vermutlich auftanken
+können würden. Selbst die uns entgegen Kommenden, die herab Wandernden,
+schwitzen. Unser Aufstieg nahm gefühlt kein Ende. Ein Tiefpunkt. --
+Dafür belohnte uns eine halbe Stunde später der spektakulärste Gipfel
+der Tour.
+
+An der Seilbahnstation tankten wir Wasser, anschließend schlenderten
+wir gemütlich den Fahrweg hinunter zum Pass Scheidwang. So gemütlich
+war es aber gar nicht. Das ständige leichte Bergab ging in die Knie,
+der harte Untergrund tat an den Fußsohlen weh, der Weg zog sich endlos,
+doch durch seine Breite ließ er das Nebeneinandergehen und somit das
+Gespräch besser zu.
+
+Auf der anderen Talseite bergauf wurde es erneut anstrengend. Unsere
+Mittagspause stand noch aus, somit fehlte es an Energie. Das größte
+Problem war aber das gute Wetter. Wir hatten ein Bombenwetter:
+Sonne pur, keine Wolke am Himmel. Aber es war viel zu heiß für
+unseren Leistungssport. Und letztlich war das Wasser unsere begrenzte
+Resource. Das war schlecht.
+
+Halb aufgestiegen rasteten wir, froh um das bisschen Schatten, in den
+wir uns verkrochen hatten. Wir regenerierten. Die Pause tat uns gut. Die
+Erholung erinnert uns auch daran, dass wir ja noch jung waren und Großes
+vorhatten. Also Kopf hoch und weiter! Gesagt getan.
+
+Weiterhin setzte uns aber die Sonne zu. Auf dem Sipplingerkopf zeigten
+sich bei mir die ersten Sonnenbrandanzeichen. Diese setzten schlagartig
+so massiv ein, dass ich lieber im Regenanorak weiter ging.
+
+Ein kühles Getränk wäre halt gut! Oh ja! Uns ging's wie Verschollenen
+in der Wüste. Und da war sie auch schon: Die Oase, namens Obere
+Wilhelmine-Alpe -- eine Erfrischungsstation am Weg. Wir füllten unsere
+Flaschen am Brunnen auf. Aber die Oase lockte nicht nur mit kühlem
+Brunnenwasser: In eben jenem stand ein Kasten mit gekühlten Getränken,
+gepaart mit einem Kässchen daneben. Da wir aber kein Geld dabei hatten,
+blieb diese Verlockung für uns doch nur eine Fata Morgana.
+
+Zu unserer Erleichterung bilden sich dann die ersten Wolken am Himmel. Das
+Wandern wurde dadurch erträglicher. Die Hitze war überstanden. Dafür
+setzte nun die körperliche Erschöpfung ein. Diese war durch das
+heiße Wetter beschleunigt worden. Die Anstiege wurden uns wieder
+mühsamer. Insbesondere zum Weiherkopf hoch quälten wir uns.
+
+Nach dem Weiherkopf stieg die Moral aber wieder an. Die großen Anstiege
+waren vorbei. Es ging dann fast wie von selbst stufenweise über die
+Hörner dem Ziel entgegen. Nun waren wir auch sicher, dass die Verpflegung
+reichen würde. So gönnten wir uns einen Müsliriegel mehr. Am Wasser
+mussten wir auch nicht mehr sparen. Die Temperaturen waren angenehm
+geworden. Die Dämmerung setzte bereits ein. Wir zogen unseres Weges.
+
+Der letzte Anstieg zum Ofterschwanger Horn war nochmal eine psychologische
+Probe, dann waren wir aber auch schon auf dem Schlusshang. Wir packten
+unsere Stirnlampen aus, freuten uns über die uns begleitenden Kühe,
+ärgerten uns über deren Fladen, schlappten aber unbeirrt heimwärts.
+
+Das Alte Höfle erreichten wir kurz nach 22 Uhr, nach 16:48
+Stunden auf den Füßen (davon 25 Minuten Mittagspause und etliche
+Fünf-Minuten-Halte). Wir wurden erwartet. Die Leute freuten sich für
+uns; wir aber waren nur erledigt. Diese Nacht haben wir gut geschlafen!
+
+
+= Zweite Begehung
+
+Im Jahr darauf bin ich die Tour ein zweites Mal gegangen, alleine und
+erst Anfang Oktober. Die Wettersituation war damit eine andere, eine
+geeignetere: 10-15 Grad und den ganzen Tag über neblig. Das war
+für die Aussicht misserabel, hatte aber drei Vorteile: Erstens ist man
+bei diesen Temperaturen leistungsfähiger, zweitens brauchte ich dank
+der fehlenden Sonne und der feuchten Luft weniger Wasser, und drittens
+war es wenig verlockend Pausen zu machen. :-)
+
+Meine Funktionskleidung war Gold wert. Bis auf das vom Wind diktierte,
+regelmäßige An- und Ausziehen des Softshells war ich perfekt
+ausgerüstet. Anderen Wanderern war das Wetter wohl zu schlecht, denn
+ich traf kaum jemanden, aber für mein Vorhaben war es fast ideal.
+
+Ich kam schnell voran. Über die Nagelfluhkette war ich im Nu drüber
+... dann ``gönnte'' ich mir aber ein paar Irrwege. Ich verzichtete
+darauf bei der Hochgratbergstation nochmal auf die Karte zu schauen,
+sondern lief einfach einem gefühlsmäßig richtigen Weg nach. Dieser
+wurde nur leider immer weniger Weg, bis ich irgendwann mitten im steilen
+Bergwald stand, ganz ohne Weg. Ich war schon halb zum Pass Scheidwang
+abgestiegen, wenn auch nicht auf dem richtigen Weg. In dem ganzen Nebel
+war die Orientierung schwer. So lief ich nach Gefühl bergab. Klar war,
+ich musste irgendwie nach unten kommen und dann halt die Straße links
+oder rechts hoch bis zum Pass gehen. Als ich an der Straße ankam war ich
+leider soweit westlich abgekommen, dass es ganze drei Kilometer bis zum
+Pass waren -- ein unnötiger Zeitverlust!
+
+Beim Aufstieg zum Heidenkopf, der in diesem Jahr nicht halb so anstrengend
+war wie in der Hitze des Vorjahres, verlief ich mich zum zweiten Mal. Ich
+hatte mich nicht weit genug links gehalten, und so stand ich irgendwann
+hinten im Kar, erneut ohne Weg. Ich hätte natürlich umkehren und die
+Wegmarkierungen suchen können. Doch das Gelände war ungefährlich, ich
+fühlte mich gut und schließlich hatte ich doch auch immer die Uhr im
+Blick. So stieg ich geradewegs bergan um die Rückwand des Kars bis zum
+Weg am Grat zu erklimmen. Anfangs war das kein Problem, aber zum Ende
+hin wurde die Wiese immer steiler, bis sie zur Felswand wurde, in der
+ich nur noch gerade so Griffe und Wurzeln fand, um mich zu halten. Mit
+etwas erhöhtem Puls schaffte ich es zum Grat. Weitere Irrwege brauchte
+ich dann nicht mehr!
+
+Der Rest der Tour verlief dann auch (angenehm) unspektakulär. Der Wind
+frischte etwas auf, ich machte folglich kaum Pausen. Das Laufen war aber
+auch nur zu schön: Ich war allein auf weiter Flur, der leichte Nebel
+sorgte für eine geborgene Atmosphäre und das gleichmäßige Gehen war
+auf seine Weise entspannend. Ich war so begeistert, dass ich selbst noch
+in diesem Teil der Tour hin und wieder voll Freude leichtfüßig über
+die Steine hüpfte.
+
+So kam ich am Ende schon nach 13:25 Stunden (davon 15 Minuten Mittagspause
+und einige kurze Stopps) gegen 18:00 noch bei Helligkeit wieder am Alten
+Höfle an.
+
+
+= Dritte Begehung
+
+Ein weiteres Jahr später, 2014, wollte meine Freundin Lydia die Tour
+mit mir gemeinsam gehen. Meine Eltern waren auch auf dem Höfle. Sie
+warteten am Pass Scheidwang mit einem Lunchpaket auf uns.
+
+Das Wetter zeigte sich erfreulicherweise kühl, wenn auch fast etwas zu
+feucht. Spektakuläres gibt es zu dieser Tour nicht zu sagen. Lydia schlug
+sich wacker. Wir machten zwar etwas mehr Pause, kamen aber trotzdem flott
+voran. Im Vergleich zur ersten Begehung mit Michael machte das Wetter
+den größten Unterschied. Meine Kenntnis der Strecke half zudem dabei,
+dass wir uns auf anstehende Anstiege und Abschnitte der Erholung mental
+vorbereiten konnten. So vermieden wir größere Tiefpunkte.
+
+Wir hatten eine schöne aber auch anstrengende Zeit, bis wir um
+dreiviertel neun, nach 16 Stunden (darin zwei große und etliche kleine
+Pausen) wieder am Höfle ankamen.
+
+Lydia fand die Tour rückblickend ``einfach geil''. Natürlich war sie
+danach ganz schön fertig, aber jetzt ist sie stolz wie Harry, dass sie
+das Große U geschafft hat.
+
+
+= Fazit
+
+So blicke ich nun zurück auf drei Begehungen des Großen U, jeweils
+mit anderer Begleitung (mit der ich jedesmal sehr zufrieden war), mit
+unterschiedlichem Wetter, aber doch mit der gleichartigen, beeindruckenden
+Selbsterfahrung. Diese Vielstundentour gleicht einem Marathonlauf, mit
+dem Unterschied, dass sie für geübte Sportler auch ohne spezielles
+Training machbar ist. Dafür ist die Belastung deutlich länger und
+demnach bedarf es auch einer deutlich längeren Erholungsphase danach.
+
+Das Große U ist eine herausfordernde Tour in einem Wandergebiet,
+das durchtrainierte Jungerwachsene normalerweise eher langweilig finden
+werden. Die Tour besticht nicht durch Spektakel oder technischen Anspruch,
+sondern durch die schöne Gleichmäßigkeit der Ausdauerleistung.
+Für das Große U gilt ganz besonders, dass der Weg das Ziel ist -- sowohl
+der Weg als Ganzes, als auch der Weg als Sammlung all der vielen kleinen
+Erlebnisse, Entdeckungen und Anstrengungen, die diese Route bietet.
+
+
+Auch dieses Jahr will ich die Tour wieder angehen, mit wem, wann, bei
+welchem Wetter und in welcher Form, das wird sich zeigen. Ich bin mir
+aber sicher: Ein Erlebnis wird es auf jeden Fall werden.
+
+
+
+
+= Tabelle: Zeiten
+
+		2012	2013	2014
+
+Altes Höfle	05:20	04:33	04:40
+Mittag		06:44	05:53	06:11
+Bärenkopf	07:01	06:08	06:24
+Steineberg	07:38	06:43	07:03
+Stuiben		08:33	07:28	08:12
+Sederer		08:58	07:41	08:28
+Buralpkopf	09:36	?	09:15
+Gündelekopf	09:53	08:29	09:32
+Rindalphorn	10:35	09:07	10:34
+Hochgrat	11:35	09:49	11:38
+Pass Scheidwang	12:57	11:48	11:37
+	Pause	25min	-	25min
+Heidenkopf	14:12	12:36	13:54	
+Sipplingerkopf	14:48	13:06	14:26
+	Pause	-	15min	-
+Bleicherhorn	15:57	14:00	15:17
+Höllritzereck	16:10	14:06	15:25
+Dreifahnenkopf	16:41	14:30	15:56
+Grauenstein	17:10	14:40	16:13
+	Pause	-	-	20min
+Riedbergerhorn	17:29	15:00	17:00
+Gr. Ochsenkopf	18:39	15:45	17:53
+Weiherkopf	19:31	16:16	18:39
+Rangiswanger H.	20:13	16:45	19:09
+(Sigiswanger H.)	(20:41)	(17:02)	(19:30)
+Ofterschwanger H.	21:06	17:17	19:55
+Altes Höfle	22:08	18:02	20:43
+
+Dauer		16:48	13:25	16:03
+
+
+= Infobox: Packliste
+
+Verbrauch:
+- 3 Liter Wasser (1x oder 2x nachgefüllt)
+- 3 belegte Wecken
+- 1 Stück Gurke
+- 1 Apfel
+- 2-3 Müsliriegel
+- 1/2 Tafel Schokolade
+- Taschentücher
+- 1 Pflaster
+
+Kleidung:
+- Wanderschuhe mit Socken
+- Lange Wanderhose
+- 2 Funktionsshirts (ärmellos + langärmlig)
+- Softshell-Jacke
+- Halstuchschlauch
+- Großes dünnes Tuch
+- Regenschutz (nicht gebraucht)
+- Ersatzsocken (nicht gebraucht)
+
+Für die Dämmerung:
+- Stirnlampe
+- Mütze
+
+Sonstiges:
+- Landkarte
+- Uhr
+
+Dies war die Packliste der Touren 2013 und 2014, bei 10-12
+Grad Tagestemperatur und bedecktem Himmel. 2012 hatten wir
+statt der Softshell-Jacke Sonnencreme dabei und die Wanderhose
+war kurz.