meillo@6: cut - cut out selected fields of each line of a file meillo@6: ---------------------------------------------------- meillo@6: markus schnalke meillo@6: 2015-05 meillo@0: meillo@0: meillo@1: Cut ist ein klassisches Programm im Unix-Werkzeugkasten. meillo@8: In keinem ordentlichen Tutorial zur Shellprogrammierung fehlt meillo@9: es, denn es ist ein schoenes, praktisches und anschauliches meillo@9: Helferlein. Hier soll ein wenig hinter seine Fassade geschaut meillo@9: werden. meillo@0: meillo@0: meillo@4: Funktionsweise meillo@4: meillo@8: Urspruenglich hatte cut zwei Modi, die spaeter um einen dritten meillo@9: erweitert wurden. Cut schneidet entweder gewuenschte Zeichen aus meillo@9: den Zeilen der Eingabe oder gewuenschte, durch Trennzeichen meillo@8: definierte, Felder. meillo@0: meillo@9: Der Zeichenmodus ist optimal geeignet um Festbreitenformate zu meillo@8: zerteilen. So kann man damit beispielsweise bestimmte meillo@9: Zugriffsrechte aus der Ausgabe von `ls -l' ausschneiden, in meillo@9: diesem Beispiel die Rechte des Besitzers: meillo@0: meillo@15: $ ls -l foo meillo@15: -rw-rw-r-- 1 meillo users 0 May 12 07:32 foo meillo@15: meillo@4: $ ls -l foo | cut -c 2-4 meillo@4: rw- meillo@0: meillo@4: Oder die Schreibrechte des Besitzers, der Gruppe und der meillo@4: Welt: meillo@0: meillo@4: $ ls -l | cut -c 3,6,9 meillo@4: ww- meillo@0: meillo@4: Mit cut lassen sich aber auch Strings kuerzen. meillo@0: meillo@10: $ long=12345678901234567890 meillo@10: $ echo "$long" | cut -c -10 meillo@10: 1234567890 meillo@0: meillo@10: Dieser Befehl gibt die ersten maximal 10 Zeichen von meillo@15: `$long' aus. (Alternativ kann man hierfuer `printf meillo@10: "%.10s\n" "$long"' verwenden.) meillo@0: meillo@4: Geht es aber nicht um die Darstellung von Zeichen, sondern um meillo@8: ihre Speicherung, dann ist `-c' nicht unbedingt geeignet. meillo@17: Frueher, als US-ASCII noch die omnipraesente Zeichenkodierung meillo@17: war, wurde jedes Zeichen mit genau einem meillo@4: Byte gespeichert. Somit selektierte `cut -c' gleichermassen meillo@4: sowohl Ausgabezeichen als auch Bytes. Mit dem Aufkommen von meillo@4: Multibyte-Kodierungen (wie UTF-8) musste man sich jedoch von meillo@4: dieser Annahme loesen. In diesem Zug bekam cut mit meillo@9: POSIX.2-1992 einen Bytemodus (Option `-b'). Will man meillo@4: also nur die ersten maximal 500 Bytes vor dem meillo@0: Newline-Zeichen stehen haben (und den Rest stillschweigend meillo@0: ignorieren), dann macht man das mit: meillo@0: meillo@6: $ cut -b -500 meillo@0: meillo@4: Den Rest kann man sich mit `cut -b 501-' einfangen. Diese meillo@8: Funktion ist insbesondere fuer POSIX wichtig, da man so meillo@8: Textdateien mit begrenzter Zeilenlaenge erzeugen kann. meillo@4: [ http://pubs.opengroup.org/onlinepubs/9699919799/utilities/cut.html#tag_20_28_17 meillo@0: meillo@17: Wenn auch der Bytemodus neu eingefuehrt worden war, so sollte meillo@17: er sich doch nur so verhalten wie der alte Zeichenmodus meillo@17: normalerweise schon implementiert war. Beim Zeichenmodus aber meillo@17: wurde eine neue Implementierungsweise gefordert. Das Problem meillo@17: war also nicht, den neuen Bytemodus zu implementieren, sondern meillo@10: den Zeichenmodus neu zu implementieren. meillo@10: meillo@17: Neben dem Zeichen- und Bytemodus bietet cut noch den meillo@17: Feldmodus, den man mit `-f' einleitet. Mit ihm meillo@4: koennen Felder ausgewaehlt werden. Das Trennzeichen (per meillo@18: Default der Tab) kann mit `-d' geaendert werden. Es gilt sowohl meillo@18: fuer die Eingabe als auch fuer die Ausgabe. meillo@0: meillo@17: Der typische Anwendungsfall fuer cut im Feldmodus ist die meillo@8: Auswahl von Information aus der passwd-Datei. So z.B. der meillo@17: Benutzername und seine ID: meillo@0: meillo@17: $ cut -d: -f1,3 /etc/passwd meillo@17: root:0 meillo@17: bin:1 meillo@17: daemon:2 meillo@17: mail:8 meillo@9: ... meillo@0: meillo@0: (Die Argumente fuer die Optionen koennen bei cut uebrigens meillo@8: mit Whitespace abgetrennt oder direkt angehaengt folgen.) meillo@0: meillo@17: Dieser Feldmodus ist fuer einfache tabellarische Dateien, meillo@4: wie eben die passwd, gut geeignet. Er kommt aber schnell an meillo@9: seine Grenzen. Gerade der haeufige Fall, dass an Whitespace meillo@0: in Felder geteilt werden soll, wird damit nicht abgedeckt. meillo@17: Der Delimiter kann bei cut nur genau ein Zeichen sein. Es kann meillo@17: also nicht sowohl an Leerzeichen als auch an Tabs aufgetrennt meillo@17: werden. Auch unterteilt cut an jedem Trennzeichen. Zwei aneinander meillo@4: stehende Trennzeichen fuehren zu einem leeren Feld. Dieses meillo@8: Verhalten widerspricht den Erwartungen, die man an die meillo@8: Verarbeitung einer Datei mit Whitespace-getrennten Feldern meillo@8: hat. Manche Implementierungen von cut, z.B. die von FreeBSD, meillo@17: haben deshalb Erweiterungen, die das gewuenschte Verhalten meillo@17: fuer Whitespace-getrennte Felder bieten. Ansonsten, d.h. wenn meillo@9: man portabel bleiben will, verwendet man awk in diesen meillo@9: Faellen. meillo@0: meillo@4: Awk bietet noch eine weitere Funktion, die cut missen meillo@8: laesst: Das Tauschen der Feld-Reihenfolge in der Ausgabe. Bei meillo@8: cut ist die Reihenfolge der Feldauswahlangabe irrelevant; ein meillo@15: Feld kann selbst mehrfach angegeben werden. So gibt der Aufruf meillo@8: von `cut -c 5-8,1,4-6' die Zeichen Nummer 1, 4, 5, 6, 7 und 8 meillo@8: in genau dieser Reihenfolge aus. Die Auswahl entspricht damit meillo@8: der Mengenlehre in der Mathematik: Jedes angegebene Feld wird meillo@9: Teil der Ergebnismenge. Die Felder der Ergebnismenge sind meillo@9: dabei immer gleich geordnet wie in der Eingabe. Um die Worte meillo@16: der Manpage von Version 8 Unix wiederzugeben: ``In data base meillo@9: parlance, it projects a relation.'' meillo@16: [ http://man.cat-v.org/unix_8th/1/cut meillo@8: Cut fuehrt also die Datenbankoperation Projektion auf meillo@10: Textdateien aus. Die Wikipedia erklaert das folgendermassen: meillo@7: meillo@7: Die Projektion entspricht der Projektionsabbildung aus der meillo@7: Mengenlehre und kann auch Attributbeschränkung genannt meillo@7: werden. Sie extrahiert einzelne Attribute aus der meillo@7: ursprünglichen Attributmenge und ist somit als eine Art meillo@7: Selektion auf Spaltenebene zu verstehen, das heißt, die meillo@7: Projektion blendet Spalten aus. meillo@7: meillo@8: [ http://de.wikipedia.org/wiki/Projektion_(Informatik)#Projektion meillo@8: meillo@7: meillo@0: Geschichtliches meillo@0: meillo@4: Cut erblickte 1982 mit dem Release von UNIX System III das meillo@4: Licht der oeffentlichen Welt. Wenn man die Quellen von System meillo@4: III durchforstet, findet man die Quellcodedatei cut.c mit dem meillo@4: Zeitstempel 1980-04-11. meillo@1: [ http://minnie.tuhs.org/cgi-bin/utree.pl?file=SysIII/usr/src/cmd meillo@4: Das ist die aelteste Manifestation des Programms, die ich meillo@17: aufstoebern konnte. Allerdings spricht die SCCS-ID im meillo@8: Quellcode von Version 1.5. Es muss also noch eine meillo@8: Vorgeschichte geben. Zu dieser habe ich leider keinen Zugang meillo@8: gefunden. meillo@9: XXX mail an TUHS meillo@0: meillo@17: Nun ein Blick auf die BSD-Linie: Dort ist mein fruehester meillo@17: Fund ein cut.c mit dem Dateimodifikationsdatum 1986-11-07 meillo@8: [ http://minnie.tuhs.org/cgi-bin/utree.pl?file=4.3BSD-UWisc/src/usr.bin/cut meillo@8: als Teil der Spezialversion 4.3BSD-UWisc, meillo@6: [ http://gunkies.org/wiki/4.3_BSD_NFS_Wisconsin_Unix meillo@6: die im Januar 1987 veroeffentlicht wurde. meillo@8: Die Implementierung unterscheidet sich nur minimal von der meillo@8: in System III. meillo@17: Im bekannteren 4.3BSD-Tahoe (1988) tauchte cut nicht auf. meillo@17: Das darauf folgende 4.3BSD-Reno (1990) lieferte aber wieder meillo@17: ein cut mit aus. Dieses cut war ein von Adam S. Moskowitz und meillo@8: Marciano Pitargue neu implementiertes cut, das 1989 in BSD meillo@8: aufgenommen wurde. meillo@1: [ http://minnie.tuhs.org/cgi-bin/utree.pl?file=4.3BSD-Reno/src/usr.bin/cut meillo@4: Seine Manpage meillo@1: [ http://minnie.tuhs.org/cgi-bin/utree.pl?file=4.3BSD-Reno/src/usr.bin/cut/cut.1 meillo@4: erwaehnt bereits die erwartete Konformitaet mit POSIX.2. meillo@17: Nun muss man wissen, dass POSIX.2 erst im September meillo@10: 1992 veroeffentlicht wurde, also gut zwei Jahren nachdem die meillo@17: Manpage und das Programm geschrieben worden waren. Das Programm meillo@10: wurde folglich anhand von Arbeitsversionen des Standards meillo@15: implementiert. Ein Blick in den Code bekraeftigt diese Vermutung. meillo@15: In der Funktion zum parsen der Feldauswahlliste findet sich meillo@15: dieser Kommentar: meillo@0: meillo@15: This parser is less restrictive than the Draft 9 POSIX spec. meillo@15: POSIX doesn't allow lists that aren't in increasing order or meillo@15: overlapping lists. meillo@9: meillo@15: Im Draft 11.2 (1991-09) fordert POSIX diese Flexibilitaet bereits meillo@15: ein: meillo@12: meillo@15: The elements in list can be repeated, can overlap, and can meillo@15: be specified in any order. meillo@15: meillo@17: Auch listet Draft 11.2 alle drei Modi, waehrend in diesem meillo@17: BSD cut nur die zwei alten implementiert sind. Es koennte also meillo@17: sein, dass in Draft 9 der Bytemodus noch nicht vorhanden war. meillo@17: Da ich keinen Zugang zu Draft 9 oder 10 finden konnte, war es mir meillo@17: leider nicht moeglich, diese Vermutung zu pruefen. XXX meillo@17: meillo@17: Die Versionsnummern und Aenderungsdaten der aelteren meillo@17: BSD-Implementierungen kann man aus den SCCS-IDs, die vom meillo@17: damaligen Versionskontrollsystem in den Code eingefuegt wurden, meillo@15: ablesen. So z.B. bei 4.3BSD-Reno: ``5.3 (Berkeley) 6/24/90''. meillo@12: meillo@12: Das cut der GNU Coreutils enthaelt folgenden Copyrightvermerk: meillo@12: meillo@12: Copyright (C) 1997-2015 Free Software Foundation, Inc. meillo@12: Copyright (C) 1984 David M. Ihnat meillo@12: meillo@17: Der Code hat also recht alte Urspruenge. Wie aus weiteren meillo@17: Kommentaren zu entnehmen ist, wurde der Programmcode zuerst von David meillo@12: MacKenzie und spaeter von Jim Meyering ueberarbeitet. Letzterer meillo@12: hat den Code 1992 auch ins Versionkontrollsystem eingestellt. meillo@17: Weshalb die Jahre vor 1997, zumindest ab 1992, nicht im meillo@17: Copyright-Vermerk auftauchen, ist unklar. meillo@12: meillo@12: Trotz der vielen Jahreszahlen aus den 80er Jahren gehoert cut, meillo@10: aus Sicht des urspruenglichen Unix, zu den juengeren Tools. meillo@1: Wenn cut auch ein Jahrzehnt aelter als Linux, der Kernel, ist, meillo@4: so war Unix doch schon ueber zehn Jahre alt, als cut das meillo@9: erste Mal auftauchte. Insbesondere gehoerte cut auch noch nicht meillo@4: zu Version 7 Unix, das die Ausgangsbasis aller modernen meillo@4: Unix-Systeme darstellt. Die weit komplexeren Programme sed meillo@4: und awk waren dort schon vertreten. Man muss sich also meillo@4: fragen, warum cut ueberhaupt noch entwickelt wurde, wo es meillo@9: schon zwei Programme gab, die die Funktion von cut abdecken meillo@9: konnten. Ein Argument fuer cut war sicher seine Kompaktheit und meillo@4: die damit verbundene Geschwindigkeit gegenueber dem damals meillo@17: traegen awk. Diese schlanke Gestalt ist es auch, die der meillo@17: Unix-Philosopie entspricht: Mache eine Aufgabe und die richtig! meillo@9: Cut ueberzeugte. Es wurde in andere Unix Varianten uebernommen, meillo@9: standardisiert und ist heutzutage ueberall anzutreffen. meillo@1: meillo@9: Die urspruengliche Variante (ohne -b) wurde schon 1985 in meillo@5: der System V Interface Definition, einer wichtigen formalen meillo@9: Beschreibung von UNIX System V, spezifiziert und tauchte meillo@9: anschliessend in allen relevanten Standards auf. Mit POSIX.2 meillo@9: im Jahre 1992 wurde cut zum ersten Mal in der heutigen Form meillo@9: (mit -b) standardisiert. meillo@15: XXX sicher? meillo@1: meillo@1: meillo@9: Multibyte-Unterstuetzung meillo@8: meillo@8: Nun sind der Bytemodus und die damit verbundene meillo@8: Multibyte-Verarbeitung des POSIX-Zeichenmodus bereits seit meillo@8: 1992 standardisiert, wie steht es aber mit deren Umsetzung? meillo@10: Welche Versionen implementieren POSIX korrekt? meillo@17: Die Situation ist dreiteilig: Es gibt historische meillo@8: Implementierungen, die nur -c und -f kennen. Dann gibt es meillo@10: Implementierungen die -b zwar kennen, es aber lediglich als Alias meillo@8: fuer -c handhaben. Diese Implementierungen funktionieren mit meillo@8: Single-Byte-Encodings (z.B. US-ASCII, Latin1) korrekt, bei meillo@17: Multibyte-Encodings (z.B. UTF-8) verhaelt sich ihr -c aber meillo@8: wie -b (und -n wird ignoriert). Schliesslich gibt es noch meillo@8: Implementierungen, die -b und -c tatsaechlich POSIX-konform meillo@8: implementieren. meillo@8: meillo@17: Historische Zwei-Modi-Implementierungen sind z.B. die von meillo@8: System III, System V und die aller BSDs bis in die 90er. meillo@8: meillo@10: Pseudo-Multibyte-Implementierungen bieten GNU und die meillo@17: modernen NetBSDs und OpenBSDs. Man darf sich sicher fragen, meillo@15: ob dort ein Schein von POSIX-Konformitaet gewahrt wird. meillo@15: Teilweise findet man erst nach genauerer Suche heraus, dass meillo@15: -c und -n nicht wie erwartet funktionieren; teilweise machen es meillo@17: sich die Systeme auch einfach, indem sie auf meillo@17: Singlebyte-Zeichenkodierungen beharren, das aber dafuer meist meillo@17: klar darlegen: meillo@8: meillo@15: Since we don't support multi-byte characters, the -c and -b meillo@15: options are equivalent, and the -n option is meaningless. meillo@8: meillo@16: [ http://cvsweb.openbsd.org/cgi-bin/cvsweb/src/usr.bin/cut/cut.c?rev=1.18&content-type=text/x-cvsweb-markup meillo@8: meillo@8: Tatsaechlich standardkonforme Implementierungen, die meillo@8: Multibytes korrekt handhaben, bekommt man bei einem modernen meillo@8: FreeBSD und bei den Heirloom Tools. Bei FreeBSD hat Tim Robbins meillo@9: im Sommer 2004 den Zeichenmodus POSIX-konform reimplementiert. meillo@8: [ https://svnweb.freebsd.org/base?view=revision&revision=131194 meillo@8: Warum die beiden anderen grossen BSDs diese Aenderung nicht meillo@8: uebernommen haben, bleibt offen. Es scheint aber an der im meillo@8: obigen Kommentar formulierten Grundausrichtung zu liegen. meillo@8: meillo@17: Wie findet man nun als Nutzer heraus, ob beim cut(1) des eigenen meillo@8: Systems Multibytes korrekt unterstuetzt werden? Zuerst ist meillo@8: entscheidend, ob das System selbst mit einem Multibyte-Encoding meillo@17: arbeitet, denn tut es das nicht, dann entsprechen sich meillo@9: Zeichen und Bytes und die Frage eruebrigt sich. Man kann das meillo@9: herausfinden indem man sich das Locale anschaut, aber einfacher meillo@9: ist es, ein typisches Mehrbytezeichen, wie z.B. einen Umlaut, meillo@9: auszugeben und zu schauen ob dieses in einem oder in mehreren meillo@9: Bytes kodiert ist: meillo@8: meillo@8: $ echo ä | od -c meillo@8: 0000000 303 244 \n meillo@8: 0000003 meillo@8: meillo@8: In diesem Fall sind es zwei Bytes: oktal 303 und 244 . (Den meillo@8: Zeilenumbruch fuegt echo(1) hinzu.) meillo@8: meillo@9: Mit dem Programm iconv(1) kann man Text explizit in bestimmte meillo@10: Kodierungen konvertieren. Hier Beispiele, wie die Ausgabe meillo@10: bei Latin1 und wie sie bei UTF-8 aussieht. meillo@8: meillo@8: $ echo ä | iconv -t latin1 | od -c meillo@8: 0000000 344 \n meillo@8: 0000002 meillo@8: meillo@8: $ echo ä | iconv -t utf8 | od -c meillo@8: 0000000 303 244 \n meillo@8: 0000003 meillo@8: meillo@8: Die Ausgabe auf dem eigenen System (ohne die iconv-Konvertierung) meillo@8: wird recht sicher einer dieser beiden Ausgaben entsprechen. meillo@8: meillo@8: Nun zum Test der cut-Implementierung. Hat man ein UTF-8-System, meillo@17: dann sollte sich eine POSIX-konforme Implementierung folgendermassen meillo@17: verhalten: meillo@8: meillo@18: $ echo ä | cut -c 1 | od -c meillo@10: 0000000 303 244 \n meillo@8: 0000003 meillo@8: meillo@18: $ echo ä | cut -b 1 | od -c meillo@10: 0000000 303 \n meillo@8: 0000002 meillo@8: meillo@18: $ echo ä | cut -b 1 -n | od -c meillo@10: 0000000 \n meillo@10: 0000001 meillo@10: meillo@10: Bei einer Pseudo-POSIX-Implementierung ist die Ausgabe in meillo@10: allen drei Faellen wie die mittlere: Es wird das erste Byte meillo@10: ausgegeben. meillo@8: meillo@8: meillo@8: Implementierungen meillo@8: meillo@9: Nun ein Blick auf den Code. Betrachtet wird eine Auswahl an meillo@9: Implementierungen. meillo@9: meillo@9: Fuer einen ersten Eindruck ist der Umfang des Quellcodes meillo@9: hilfreich. Typischerweise steigt dieser ueber die Jahre an. Diese meillo@8: Beobachtung kann hier in der Tendenz, aber nicht in jedem Fall, meillo@17: bestaetigt werden. Die POSIX-konforme Umsetzung des Zeichenmodus meillo@17: erfordert zwangslaeufig mehr Code, deshalb sind diese meillo@17: Implementierungen tendenziell umfangreicher. meillo@8: meillo@8: meillo@9: SLOC Zeilen Bytes Gehoert zu Dateidatum Kategorie meillo@9: ----------------------------------------------------------------- meillo@17: 116 123 2966 System III 1980-04-11 (hist) meillo@17: 118 125 3038 4.3BSD-UWisc 1986-11-07 (hist) meillo@17: 200 256 5715 4.3BSD-Reno 1990-06-25 (hist) meillo@17: 200 270 6545 NetBSD 1993-03-21 (hist) meillo@9: 218 290 6892 OpenBSD 2008-06-27 (pseudo) meillo@17: 224 296 6920 FreeBSD 1994-05-27 (hist) meillo@9: 232 306 7500 NetBSD 2014-02-03 (pseudo) meillo@9: 340 405 7423 Heirloom 2012-05-20 (POSIX) meillo@9: 382 586 14175 GNU coreutils 1992-11-08 (pseudo) meillo@9: 391 479 10961 FreeBSD 2012-11-24 (POSIX) meillo@9: 588 830 23167 GNU coreutils 2015-05-01 (pseudo) meillo@8: meillo@8: meillo@9: Das Kandidatenfeld teilt sich grob in vier Gruppen: (1) Die zwei meillo@9: urspruenglichen Implementierungen, die sich nur minimal meillo@9: unterscheiden, mit gut 100 SLOCs. (2) Die fuenf BSD-Versionen mit meillo@9: gut 200 SLOCs. (3) Die zwei POSIX-konformen Programme und meillo@17: die alte GNU-Version mit 340-390 SLOCs. Und schliesslich (4) die meillo@17: moderne GNU-Variante mit fast 600 SLOCs. meillo@8: meillo@9: Die Abweichung zwischen logischen Codezeilen (SLOC, ermittelt mit meillo@9: SLOCcount) und der Anzahl von Zeilenumbruechen in der Datei (`wc meillo@18: -l') erstreckt sich ueber eine Spanne von Faktor 1.06 bei den meillo@18: aeltesten Vertretern bis zu Faktor 1.5 bei GNU. Der groesste meillo@18: Einflussfaktor darauf haben Leerzeilen, reine Kommentarzeilen und meillo@9: die Groesse des Lizenzblocks am Dateianfang. meillo@8: meillo@9: Betrachtet man die Abweichungen zwischen den logischen Codezeilen meillo@9: und der Dateigroesse (`wc -c'), so pendelt das Teilnehmerfeld meillo@9: zwischen 25 und 30 Bytes je Anweisung. Die Heirloom-Implementierung meillo@9: weicht mit nur 21 nach unten ab, die GNU-Implementierungen mit meillo@17: fast 40 nach oben. Bei GNU liegt dies hauptsaechlich an deren meillo@9: Programmierstil, mit spezieller Einrueckung und langen Bezeichnern. meillo@9: Ob man die Heirloom-Implementierung als besonders kryptisch meillo@9: oder als besonders elegant bezeichnen will, das soll der meillo@18: eigenen Einschaetzung des Lesers ueberlassen bleiben. Vor allem meillo@18: der Vergleich mit einer GNU-Implementierung ist eindrucksvoll. meillo@8: meillo@8: meillo@17: Die interne Struktur der Programmcodes (in C) ist meist aehnlich. meillo@17: Neben der obligatorischen main-Funktion, die die Kommandozeilenargumente meillo@11: verarbeitet, gibt es im Normalfall eine Funktion, die die meillo@13: Feldauswahl in eine interne Datenstruktur ueberfuehrt. Desweiteren meillo@11: haben fast alle Implementierungen separate Funktionen fuer die meillo@11: zwei bzw. drei Modi. Bei den POSIX-konformen Implementierungen meillo@11: wird die `-b -n'-Kombination als weiterer Modus behandelt, und meillo@11: damit in einer eigenen Funktion umgesetzt. Nur bei der fruehen meillo@11: System III-Implementierung (und seiner 4.3BSD-UWisc-Variante) meillo@17: wird ausser den Fehlerausgaben alles in der main-Funktion meillo@17: erledigt. meillo@11: meillo@15: Cut-Implementierungen haben typischerweise zwei limitierende meillo@15: Groessen: Die Maximalanzahl unterstuetzter Felder und die maximale meillo@17: Zeilenlaenge. Bei System III sind beide Groessen auf 512 begrenzt. meillo@17: 4.3BSD-Reno und die BSDs der 90er Jahre haben ebenfalls fixe meillo@17: Grenzen (_BSD_LINE_MAX bzw. _POSIX2_LINE_MAX). Bei modernen meillo@17: FreeBSDs, NetBSDs, bei allen GNU-Implementierungen und bei meillo@17: Heirloom kann sowohl die Felderanzahl als auch die maximale meillo@18: Zeilenlaenge beliebig gross werden; der Speicher dafuer wird meillo@17: dynamisch alloziiert. OpenBSD ist ein Hybrid aus fixer meillo@17: Maximalzahl an Feldern, aber beliebiger Zeilenlaenge. Die meillo@17: begrenzte Felderanzahl scheint jedoch kein Praxisproblem meillo@17: darzustellen, da _POSIX2_LINE_MAX mit mindestens 2048 durchaus meillo@17: gross genug sein sollte. meillo@11: meillo@8: meillo@2: Beschreibungen meillo@1: meillo@9: Interessant ist auch ein Vergleich der Kurzbeschreibungen von meillo@17: cut, wie sie sich in der Titelzeile der Manpages oder manchmal meillo@9: auch am Anfang der Quellcodedatei finden. Die folgende Liste meillo@9: ist grob zeitlich geordnet und nach Abstammung gruppiert: meillo@3: meillo@3: meillo@2: System III cut out selected fields of each line of a file meillo@3: System III (src) cut and paste columns of a table (projection of a relation) meillo@2: System V cut out selected fields of each line of a file meillo@2: HP-UX cut out (extract) selected fields of each line of a file meillo@2: meillo@3: 4.3BSD-UWisc (src) cut and paste columns of a table (projection of a relation) meillo@2: 4.3BSD-Reno select portions of each line of a file meillo@2: NetBSD select portions of each line of a file meillo@7: OpenBSD 4.6 select portions of each line of a file meillo@2: FreeBSD 1.0 select portions of each line of a file meillo@10: FreeBSD 10.0 cut out selected portions of each line of a file meillo@2: SunOS 4.1.3 remove selected fields from each line of a file meillo@2: SunOS 5.5.1 cut out selected fields of each line of a file meillo@2: meillo@8: Heirloom Tools cut out selected fields of each line of a file meillo@9: Heirloom Tools (src) cut out fields of lines of files meillo@2: meillo@2: GNU coreutils remove sections from each line of files meillo@2: meillo@2: Minix select out columns of a file meillo@2: meillo@2: Version 8 Unix rearrange columns of data meillo@2: ``Unix Reader'' rearrange columns of text meillo@2: meillo@9: POSIX cut out selected fields of each line of a file meillo@2: meillo@9: meillo@9: Die mit ``(src)'' markierten Beschreibungen sind aus dem meillo@17: jeweiligen Quellcode entnommen. Der POSIX-Eintrag enthaelt meillo@18: die Beschreibung im Standard. Der ``Unix Reader'' ist ein meillo@17: rueckblickendes Textdokument von Doug McIlroy, das das meillo@18: Auftreten der Tools in der Geschichte des Research Unix zum meillo@17: Thema hat. meillo@16: [ http://doc.cat-v.org/unix/unix-reader/contents.pdf meillo@17: Eigentlich sollte seine Beschreibung der in Version 8 Unix meillo@17: entsprechen. Die Abweichung koennte sowohl ein meillo@17: Uebertragungsfehler als auch eine nachtraegliche Korrektur meillo@17: sein. Alle uebrigen Beschreibungen entstammen den Manpages. meillo@5: meillo@9: Oft ist mit der Zeit die POSIX-Beschreibung uebernommen meillo@17: oder an sie angeglichen worden, wie beispielsweise bei FreeBSD. meillo@5: [ https://svnweb.freebsd.org/base?view=revision&revision=167101 meillo@5: meillo@7: Interessant ist, dass die GNU coreutils seit Anbeginn vom meillo@5: Entfernen von Teilen der Eingabe sprechen, wohingegen die meillo@5: Kommandozeilenangabe klar ein Auswaehlen darstellt. Die meillo@17: Worte ``cut out'' sind vielleicht auch etwas zu meillo@9: missverstaendlich. HP-UX hat sie deshalb praezisiert. meillo@5: meillo@10: Auch beim Begriff, was selektiert wird, ist man sich meillo@17: uneins. Die Einen reden von Feldern (POSIX), Andere von meillo@17: Abschnitten bzw. Teilen (BSD) und wieder Andere von Spalten meillo@5: (Research Unix). Ironischerweise leistet sich gerade Version meillo@5: 8 Unix, das eigentlich um eine sehr treffende Weltsicht meillo@5: bemueht ist, mit ``rearrange columns of data'' die meillo@5: unzutreffendste der Beschreibungen. meillo@5: meillo@5: meillo@6: Autoreninfo meillo@6: meillo@6: Markus Schnalke interessiert sich fuer die Hintergruende meillo@6: von Unix und seinen Werkzeugen. Fuer die Erarbeitung dieses meillo@6: Textes wurde er regelrecht zum Historiker. meillo@6: meillo@6: meillo@6: Lizenz meillo@10: meillo@6: CC0 (und kann damit auch unter CC BY-SA 4.0 Unported meillo@6: veroeffentlicht werden)