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Zwischenstand
author markus schnalke <meillo@marmaro.de>
date Sat, 02 May 2015 22:49:00 +0200
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line source

Das Werkzeugkaestle

#1:  cut - cut out selected fields of each line of a file
---------------------------------------------------------
markus schnalke, 2015-05


Cut ist ein klassisches Programm im Unix-Werkzeugkasten.
In keinem ordentlichen Tutorial zur Shellprogrammierung darf
es fehlen. Es ist ein schoenes Anschauungs- und Beispielobjekt
fuer's Shellscripting. Hier will ich ein wenig hinter die
Fassade schauen.


Funktionsweise

Die Funktionsbasis von cut waren urspruenglich zwei Modi, die
spaeter um einen dritten erweitert wurden. Cut schneidet
entweder bestimmte Zeichen aus den Zeilen der Eingabe oder
bestimmte durch Trennzeichen definierte Felder.

Der Zeichenmodus ist geeignet um Ausschnitte aus
Festbreitenformaten zu extrahieren. So kann man damit
beispielsweise bestimmte Zugriffsrechte aus der Ausgabe von
`ls -l' ausschneiden. Hier die Rechte des Besitzers:

	$ ls -l foo | cut -c 2-4
	rw-

Oder die Schreibrechte des Besitzers, der Gruppe und der
Welt:

	$ ls -l | cut -c 3,6,9
	ww-

Mit cut lassen sich aber auch Strings kuerzen.

	echo "$long" | cut -c -20

Dieser Befehl gibt die ersten maximal 20 Zeichen (jeder
Zeile) von `$long' aus.

Geht es aber nicht um die Darstellung von Zeichen, sondern um
ihre Speicherung, dann ist `-c' nicht unbedingt die passende
Option. Frueher, als US-ASCII als Zeichensatz und -kodierung
noch omnipraesent war, wurde jedes Zeichen mit genau einem
Byte gespeichert. Somit selektierte `cut -c' gleichermassen
sowohl Ausgabezeichen als auch Bytes. Mit dem Aufkommen von
Multibyte-Kodierungen (wie UTF-8) musste man sich jedoch von
dieser Annahme loesen. In diesem Zug bekam cut mit
POSIX.2-1992 die Option `-b'. Diese selektiert Bytes. Will man
also nur die ersten maximal 500 Bytes vor dem
Newline-Zeichen stehen haben (und den Rest stillschweigend
ignorieren), dann macht man das mit:

	cut -b -500

Den Rest kann man sich mit `cut -b 501-' einfangen. Diese
Funktion ist insbesondere fuer POSIX wichtig, da so sicher
gestellt werden kann, dass Textdateien keine beliebig
langen Zeilen haben.
[ http://pubs.opengroup.org/onlinepubs/9699919799/utilities/cut.html#tag_20_28_17

Neben dem Zeichen- bzw. Byte-Modus bietet cut noch den
interessanteren Feld-Modus, den man mit `-f' einleitet. Mit ihm
koennen Felder ausgewaehlt werden. Das Trennzeichen (per
Default der Tab) kann mit `-d' geaendert werden.

Der typische Anwendungsfall fuer den Feld-Modus. Ist die
Extraktion von Information aus der passwd-Datei. So z.B. der
Username, die User-ID und das Homeverzeichnis:

	cut -d: -f1,3,6 /etc/passwd

(Die Argumente fuer die Optionen koennen bei cut uebrigens
direkt angehaengt oder mit Whitespace abgetrennt folgen.)


Dieser Feld-Modus ist fuer einfache tabellarische Dateien,
wie eben die passwd, gut geeignet. Er kommt aber schnell an
seine Grenzen. Gerade der uebliche Fall, dass an Whitespace
in Felder geteilt werden soll, wird damit nicht abgedeckt.
Der Delimiter kann nur genau ein Zeichen sein. Es kann also
nicht sowohl an Leerzeichen als auch an Tabs getrennt werden.
Auch unterteilt cut an jedem Trennzeichen. Zwei aneinander
stehende Trennzeichen fuehren zu einem leeren Feld. Dieses
Verhalten widerspricht den Erwartungen fuer eine Datei mit
Whitespace-getrennten Feldern. (Manche Implementierungen von
cut, z.B. die von FreeBSD, haben deshalb Erweiterungen, die
das gewuenschte Verhalten fuer Whitespace-getrennte Felder
bieten.) Ansonsten, d.h. wenn man portabel bleiben will,
hilft awk.

Awk bietet noch eine weitere Funktion, die cut missen
laesst: Das Tauschen der Felder-Reihenfolge. Bei cut ist die
Reihenfolge der Feldauswahl irrelevant; ein Feld kann selbst
mehrfach angegeben werden. Der Aufruf von `cut -c 5-8,1,4-6'
gibt z.B.  die Zeichen Nummer 1, 4, 5, 6, 7 und 8 aus. Die
Auswahl aehnelt damit der Mengenlehre in der Mathematik:
Jedes angegebene Feld soll in der Ergebnismenge sein. Die
Felder der Ergebnismenge werden dabei immer in der gleichen
Reihenfolge ausgegeben wie sie in der Eingabe waren.


Geschichtliches

Cut erblickte 1982 mit dem Release von UNIX System III das
Licht der oeffentlichen Welt. Wenn man die Quellen von System
III durchforstet, findet man die Quellcodedatei cut.c mit dem
Zeitstempel 1980-04-11.
[ http://minnie.tuhs.org/cgi-bin/utree.pl?file=SysIII/usr/src/cmd
Das ist die aelteste Manifestation des Programms, die ich
aufstoebern konnte.

Aber werfen wir doch einen Blick auf die BSD-Linie: Dort ist mein
fruehester Fund ein cut.c mit dem Datum 1986-11-07 im Code der
Spezialversion 4.3BSD-UWisc, die im Januar 1987 veroeffentlicht
wurde.
[ http://minnie.tuhs.org/cgi-bin/utree.pl?file=4.3BSD-UWisc/src/usr.bin/cut
Die Datei unterscheidet sich nur minimal von der aus System III.
Im bekannteren 4.3BSD-Tahoe (1988) taucht cut aber nicht auf.
Im darauf folgenden 4.3BSD-Reno (1990) gibt es wiederum ein
cut ... ein von Adam S. Moskowitz und Marciano Pitargue neu
implementiertes cut, das 1989 in BSD aufgenommen wurde.
[ http://minnie.tuhs.org/cgi-bin/utree.pl?file=4.3BSD-Reno/src/usr.bin/cut
Seine Manpage
[ http://minnie.tuhs.org/cgi-bin/utree.pl?file=4.3BSD-Reno/src/usr.bin/cut/cut.1
erwaehnt bereits die erwartete Konformitaet mit POSIX.2.
Nun sollte man wissen, dass POSIX.2 erst im September
1992 veroeffentlicht wurde, gut zwei Jahren *nachdem* die
Manpage und das Programm geschrieben wurden. Dieses cut
wurde also anhand von Entwuerfen des Standards
implementiert. Zweieinhalb Jahre Arbeit war immerhin schon in
den Standardisierungsprozess geflossen; bis zur
Fertigstellung sollte es noch weitere zwei Jahre dauern.

Trotz all dieser Jahreszahlen aus den 80er Jahren gehoert cut
aus Sicht des urspruenglichen Unix zu den juengeren Tools.
Wenn cut auch ein Jahrzehnt aelter als Linux, der Kernel, ist,
so war Unix doch schon ueber zehn Jahre alt, als cut das
erste Mal auftauchte. Insbesondere gehoerte cut noch nicht
zu Version 7 Unix, das die Ausgangsbasis aller modernen
Unix-Systeme darstellt. Die weit komplexeren Programme sed
und awk waren dort schon vertreten. Man muss sich also
fragen, warum cut ueberhaupt noch entwickelt wurde, wo es
schon zwei Programme gab, die die Aufgabe von cut bereits
abdeckten. Ein Argument fuer cut ist seine Kompaktheit und
die damit verbundene Geschwindigkeit gegenueber dem damals
traegen awk. Diese schlanke Gestalt ist es auch, die der Unix
Philosopie entspricht: Mache eine Aufgabe und die richtig!
So bewaehrte sich cut. Es wurde in andere Unix Varianten
uebernommen, standardisiert und ist heutzutage ueberall
anzutreffen.

Mit POSIX.2 im Jahre 1992 wurde cut zum ersten Mal in der
heutigen Form (mit -b) standardisiert. In der urspruenglichen
Variante (ohne -b) taucht es u.a. 1985 in der System V
Interface Definition, einer wichtigen formalen Beschreibung
von UNIX System V, auf.


Beschreibungen

Interessant ist ein Vergleich der Kurzbeschreibungen von cut,
wie sie sich in der Titelzeile von Manpages oder manchmal auch
am Anfang der Quellcodedatei findet.

Die folgende Liste ist grob nach Zeit georndet und nach
Abstammung gruppiert. Die mit ``(src)'' markierten
Beschreibungen wurden im Code gefunden. POSIX und der ``Unix
Reader'' sind Textdokumente, die nicht an eine bestimmte
Unix-Version gebunden sind. Alle uebrigen Beschreibungen
entstammen der jeweiligen Manpage.


System III	cut out selected fields of each line of a file
System III (src)	cut and paste columns of a table (projection of a relation)
System V	cut out selected fields of each line of a file
HP-UX		cut out (extract) selected fields of each line of a file

4.3BSD-UWisc (src)	cut and paste columns of a table (projection of a relation)
4.3BSD-Reno	select portions of each line of a file
NetBSD		select portions of each line of a file
FreeBSD 1.0	select portions of each line of a file
FreeBSD 7.0	cut out selected portions of each line of a file
SunOS 4.1.3	remove selected fields from each line of a file
SunOS 5.5.1	cut out selected fields of each line of a file

POSIX		cut out selected fields of each line of a file

GNU coreutils	remove sections from each line of files

Minix		select out columns of a file

Version 8 Unix	rearrange columns of data
``Unix Reader''	rearrange columns of text



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