docs/cut

view cut.txt @ 21:bac481be86d7

Umlaute konvertiert
author markus schnalke <meillo@marmaro.de>
date Thu, 28 May 2015 06:41:08 +0200
parents c0e589b92c52
children 4193939c6a24
line source
1 cut - cut out selected fields of each line of a file
2 ----------------------------------------------------
3 markus schnalke <meillo@marmaro.de>
4 2015-05
7 Cut ist ein klassisches Programm im Unix-Werkzeugkasten.
8 In keinem ordentlichen Tutorial zur Shellprogrammierung fehlt
9 es, denn es ist ein schönes, praktisches und anschauliches
10 Helferlein. Hier soll ein wenig hinter seine Fassade geschaut
11 werden.
14 Funktionsweise
16 Ursprünglich hatte cut zwei Modi, die später um einen dritten
17 erweitert wurden. Cut schneidet entweder gewünschte Zeichen aus
18 den Zeilen der Eingabe oder gewünschte, durch Trennzeichen
19 definierte, Felder.
21 Der Zeichenmodus ist optimal geeignet um Festbreitenformate zu
22 zerteilen. Man kann damit beispielsweise bestimmte
23 Zugriffsrechte aus der Ausgabe von `ls -l' ausschneiden, in
24 diesem Beispiel die Rechte des Besitzers:
26 $ ls -l foo
27 -rw-rw-r-- 1 meillo users 0 May 12 07:32 foo
29 $ ls -l foo | cut -c 2-4
30 rw-
32 Oder die Schreibrechte des Besitzers, der Gruppe und der
33 Welt:
35 $ ls -l | cut -c 3,6,9
36 ww-
38 Mit cut lassen sich aber auch Strings kürzen.
40 $ long=12345678901234567890
41 $ echo "$long" | cut -c -10
42 1234567890
44 Dieser Befehl gibt die ersten maximal 10 Zeichen von
45 `$long' aus. (Alternativ kann man hierfür `printf
46 "%.10s\n" "$long"' verwenden.)
48 Geht es aber nicht um die Darstellung von Zeichen, sondern um
49 ihre Speicherung, dann ist `-c' nicht unbedingt geeignet.
50 Früher, als US-ASCII noch die omnipräsente Zeichenkodierung
51 war, wurde jedes Zeichen mit genau einem
52 Byte gespeichert. Somit selektierte `cut -c' gleichermaßen
53 sowohl Ausgabezeichen als auch Bytes. Mit dem Aufkommen von
54 Multibyte-Kodierungen (wie UTF-8) musste man sich jedoch von
55 dieser Annahme lösen. In diesem Zug bekam cut mit
56 POSIX.2-1992 einen Bytemodus (Option `-b'). Will man
57 also nur die ersten maximal 500 Bytes vor dem
58 Newline-Zeichen stehen haben (und den Rest stillschweigend
59 ignorieren), dann macht man das mit:
61 $ cut -b -500
63 Den Rest kann man sich mit `cut -b 501-' einfangen. Diese
64 Funktion ist insbesondere für POSIX wichtig, da man damit
65 Textdateien mit begrenzter Zeilenlänge erzeugen kann.
66 [ http://pubs.opengroup.org/onlinepubs/9699919799/utilities/cut.html#tag_20_28_17
68 Wenn auch der Bytemodus neu eingeführt worden war, so sollte
69 er sich doch nur so verhalten wie der alte Zeichenmodus
70 normalerweise schon implementiert war. Beim Zeichenmodus aber
71 wurde eine neue Implementierungsweise gefordert. Das Problem
72 war folglich nicht, den neuen Bytemodus zu implementieren, sondern
73 den Zeichenmodus neu zu implementieren.
75 Neben dem Zeichen- und Bytemodus bietet cut noch den
76 Feldmodus, den man mit `-f' einleitet. Mit ihm
77 können Felder ausgewählt werden. Das Trennzeichen (per
78 Default der Tab) kann mit `-d' geändert werden. Es gilt in
79 gleicher Weise für die Eingabe und die Ausgabe.
81 Der typische Anwendungsfall für cut im Feldmodus ist die
82 Auswahl von Information aus der passwd-Datei. Hier z.B. der
83 Benutzername und seine ID:
85 $ cut -d: -f1,3 /etc/passwd
86 root:0
87 bin:1
88 daemon:2
89 mail:8
90 ...
92 (Die Argumente für die Optionen können bei cut übrigens
93 mit Whitespace abgetrennt oder direkt angehängt folgen.)
95 Dieser Feldmodus ist für einfache tabellarische Dateien,
96 wie eben die passwd, gut geeignet. Er kommt aber schnell an
97 seine Grenzen. Gerade der häufige Fall, dass an Whitespace
98 in Felder geteilt werden soll, wird damit nicht abgedeckt.
99 Der Delimiter kann bei cut nur genau ein Zeichen sein. Es kann
100 demnach nicht sowohl an Leerzeichen als auch an Tabs aufgetrennt
101 werden. Zudem unterteilt cut an jedem Trennzeichen. Zwei aneinander
102 stehende Trennzeichen führen zu einem leeren Feld. Dieses
103 Verhalten widerspricht den Erwartungen, die man an die
104 Verarbeitung einer Datei mit Whitespace-getrennten Feldern
105 hat. Manche Implementierungen von cut, z.B. die von FreeBSD,
106 haben deshalb Erweiterungen, die das gewünschte Verhalten
107 für Whitespace-getrennte Felder bieten. Ansonsten, d.h. wenn
108 man portabel bleiben will, verwendet man awk in diesen
109 Fällen.
111 Awk bietet noch eine weitere Funktion, die cut missen
112 lässt: Das Tauschen der Feld-Reihenfolge in der Ausgabe. Bei
113 cut ist die Reihenfolge der Feldauswahlangabe irrelevant; ein
114 Feld kann selbst mehrfach angegeben werden. Dementsprechend gibt
115 der Aufruf
116 von `cut -c 5-8,1,4-6' die Zeichen Nummer 1, 4, 5, 6, 7 und 8
117 in genau dieser Reihenfolge aus. Die Auswahl entspricht damit
118 der Mengenlehre in der Mathematik: Jedes angegebene Feld wird
119 Teil der Ergebnismenge. Die Felder der Ergebnismenge sind
120 hierbei immer gleich geordnet wie in der Eingabe. Um die Worte
121 der Manpage von Version 8 Unix wiederzugeben: ``In data base
122 parlance, it projects a relation.''
123 [ http://man.cat-v.org/unix_8th/1/cut
124 Cut führt demnach die Datenbankoperation Projektion auf
125 Textdateien aus. Die Wikipedia erklärt das folgendermaßen:
127 Die Projektion entspricht der Projektionsabbildung aus der
128 Mengenlehre und kann auch Attributbeschränkung genannt
129 werden. Sie extrahiert einzelne Attribute aus der
130 ursprünglichen Attributmenge und ist somit als eine Art
131 Selektion auf Spaltenebene zu verstehen, das heißt, die
132 Projektion blendet Spalten aus.
134 [ http://de.wikipedia.org/wiki/Projektion_(Informatik)#Projektion
137 Geschichtliches
139 Cut erblickte 1982 mit dem Release von UNIX System III das
140 Licht der öffentlichen Welt. Wenn man die Quellen von System
141 III durchforstet, findet man die Quellcodedatei cut.c mit dem
142 Zeitstempel 1980-04-11.
143 [ http://minnie.tuhs.org/cgi-bin/utree.pl?file=SysIII/usr/src/cmd
144 Das ist die älteste Manifestation des Programms, die ich
145 aufstöbern konnte. Allerdings spricht die SCCS-ID im
146 Quellcode von Version 1.5. Die Vorgeschichte liegt, der Aussage
147 Doug McIlroys
148 [ XXX
149 zufolge, in PWB/UNIX, das die Grundlage für System III war.
150 (PWB 3.0 entspricht System III.) In den von PWB 1.0 (1977)
151 verfügbaren Quellen
152 [ XXX
153 ist cut noch nicht zu finden; von PWB 2.0 sind mir keine
154 verfügbaren Quellen oder hilfreiche Dokumentation bekannt.
156 Nun ein Blick auf die BSD-Linie: Dort ist mein frühester
157 Fund ein cut.c mit dem Dateimodifikationsdatum 1986-11-07
158 [ http://minnie.tuhs.org/cgi-bin/utree.pl?file=4.3BSD-UWisc/src/usr.bin/cut
159 als Teil der Spezialversion 4.3BSD-UWisc,
160 [ http://gunkies.org/wiki/4.3_BSD_NFS_Wisconsin_Unix
161 die im Januar 1987 veröffentlicht wurde.
162 Die Implementierung unterscheidet sich nur minimal von der
163 in System III.
164 Im bekannteren 4.3BSD-Tahoe (1988) tauchte cut nicht auf.
165 Das darauf folgende 4.3BSD-Reno (1990) lieferte aber wieder
166 ein cut mit aus. Dieses cut war ein von Adam S. Moskowitz und
167 Marciano Pitargue neu implementiertes cut, das 1989 in BSD
168 aufgenommen wurde.
169 [ http://minnie.tuhs.org/cgi-bin/utree.pl?file=4.3BSD-Reno/src/usr.bin/cut
170 Seine Manpage
171 [ http://minnie.tuhs.org/cgi-bin/utree.pl?file=4.3BSD-Reno/src/usr.bin/cut/cut.1
172 erwähnt bereits die erwartete Konformität mit POSIX.2.
173 Nun muss man wissen, dass POSIX.2 erst im September
174 1992 veröffentlicht wurde, erst gut zwei Jahren nachdem die
175 Manpage und das Programm geschrieben worden waren. Das Programm
176 wurde folglich anhand von Arbeitsversionen des Standards
177 implementiert. Ein Blick in den Code bekräftigt diese Vermutung.
178 In der Funktion zum parsen der Feldauswahlliste findet sich
179 dieser Kommentar:
181 This parser is less restrictive than the Draft 9 POSIX spec.
182 POSIX doesn't allow lists that aren't in increasing order or
183 overlapping lists.
185 Im Draft 11.2 (1991-09) fordert POSIX diese Flexibilität bereits
186 ein:
188 The elements in list can be repeated, can overlap, and can
189 be specified in any order.
191 Zudem listet Draft 11.2 alle drei Modi, während in diesem
192 BSD cut nur die zwei alten implementiert sind. Es könnte also
193 sein, dass in Draft 9 der Bytemodus noch nicht vorhanden war.
194 Da ich keinen Zugang zu Draft 9 oder 10 finden konnte, war es mir
195 leider nicht möglich, diese Vermutung zu prüfen.
197 Die Versionsnummern und Änderungsdaten der älteren
198 BSD-Implementierungen kann man aus den SCCS-IDs, die vom
199 damaligen Versionskontrollsystem in den Code eingefügt wurden,
200 ablesen. So z.B. bei 4.3BSD-Reno: ``5.3 (Berkeley) 6/24/90''.
202 Das cut der GNU Coreutils enthält folgenden Copyrightvermerk:
204 Copyright (C) 1997-2015 Free Software Foundation, Inc.
205 Copyright (C) 1984 David M. Ihnat
207 Der Code hat also recht alte Ursprünge. Wie aus weiteren
208 Kommentaren zu entnehmen ist, wurde der Programmcode zuerst von David
209 MacKenzie und später von Jim Meyering überarbeitet. Letzterer
210 hat den Code 1992 auch ins Versionkontrollsystem eingestellt.
211 Weshalb die Jahre vor 1997, zumindest ab 1992, nicht im
212 Copyright-Vermerk auftauchen, ist unklar.
214 Trotz der vielen Jahreszahlen aus den 80er Jahren gehört cut,
215 aus Sicht des ursprünglichen Unix, zu den jüngeren Tools.
216 Wenn cut auch ein Jahrzehnt älter als Linux, der Kernel, ist,
217 so war Unix doch schon über zehn Jahre alt, als cut das
218 erste Mal auftauchte. Insbesondere gehörte cut noch nicht
219 zu Version 7 Unix, das die Ausgangsbasis aller modernen
220 Unix-Systeme darstellt. Die weit komplexeren Programme sed
221 und awk waren dort schon vertreten. Man muss sich also
222 fragen, warum cut überhaupt noch entwickelt wurde, wo es
223 schon zwei Programme gab, die die Funktion von cut abdecken
224 konnten. Ein Argument für cut war sicher seine Kompaktheit und
225 die damit verbundene Geschwindigkeit gegenüber dem damals
226 trägen awk. Diese schlanke Gestalt ist es auch, die der
227 Unix-Philosopie entspricht: Mache eine Aufgabe und die richtig!
228 Cut überzeugte. Es wurde in andere Unix Varianten übernommen,
229 standardisiert und ist heutzutage überall anzutreffen.
231 Die ursprüngliche Variante (ohne -b) wurde schon 1985 in
232 der System V Interface Definition, einer wichtigen formalen
233 Beschreibung von UNIX System V, spezifiziert und tauchte
234 anschließend in allen relevanten Standards auf. Mit POSIX.2
235 im Jahre 1992 wurde cut zum ersten Mal in der heutigen Form
236 (mit -b) standardisiert.
239 Multibyte-Unterstützung
241 Nun sind der Bytemodus und die damit verbundene
242 Multibyte-Verarbeitung des POSIX-Zeichenmodus bereits seit
243 1992 standardisiert, wie steht es aber mit deren Umsetzung?
244 Welche Versionen implementieren POSIX korrekt?
245 Die Situation ist dreiteilig: Es gibt historische
246 Implementierungen, die nur -c und -f kennen. Dann gibt es
247 Implementierungen die -b zwar kennen, es aber lediglich als Alias
248 für -c handhaben. Diese Implementierungen funktionieren mit
249 Single-Byte-Encodings (z.B. US-ASCII, Latin1) korrekt, bei
250 Multibyte-Encodings (z.B. UTF-8) verhält sich ihr -c aber
251 wie -b (und -n wird ignoriert). Schließlich gibt es noch
252 Implementierungen, die -b und -c tatsächlich POSIX-konform
253 implementieren.
255 Historische Zwei-Modi-Implementierungen sind z.B. die von
256 System III, System V und die aller BSDs bis in die 90er.
258 Pseudo-Multibyte-Implementierungen bieten GNU und die
259 modernen NetBSDs und OpenBSDs. Man darf sich sicher fragen,
260 ob dort ein Schein von POSIX-Konformität gewahrt wird.
261 Teilweise findet man erst nach genauerer Suche heraus, dass
262 -c und -n nicht wie erwartet funktionieren; teilweise machen es
263 sich die Systeme auch einfach, indem sie auf
264 Singlebyte-Zeichenkodierungen beharren, das aber dafür meist
265 klar darlegen:
267 Since we don't support multi-byte characters, the -c and -b
268 options are equivalent, and the -n option is meaningless.
270 [ http://cvsweb.openbsd.org/cgi-bin/cvsweb/src/usr.bin/cut/cut.c?rev=1.18&content-type=text/x-cvsweb-markup
272 Tatsächlich standardkonforme Implementierungen, die
273 Multibytes korrekt handhaben, bekommt man bei einem modernen
274 FreeBSD und bei den Heirloom Tools. Bei FreeBSD hat Tim Robbins
275 im Sommer 2004 den Zeichenmodus POSIX-konform reimplementiert.
276 [ https://svnweb.freebsd.org/base?view=revision&revision=131194
277 Warum die beiden anderen großen BSDs diese Änderung nicht
278 übernommen haben, bleibt offen. Es scheint aber an der im
279 obigen Kommentar formulierten Grundausrichtung zu liegen.
281 Wie findet man nun als Nutzer heraus, ob beim cut(1) des eigenen
282 Systems Multibytes korrekt unterstützt werden? Zuerst ist
283 entscheidend, ob das System selbst mit einem Multibyte-Encoding
284 arbeitet, denn tut es das nicht, dann entsprechen sich
285 Zeichen und Bytes und die Frage erübrigt sich. Man kann das
286 herausfinden indem man sich das Locale anschaut, aber einfacher
287 ist es, ein typisches Mehrbytezeichen, wie z.B. einen Umlaut,
288 auszugeben und zu schauen ob dieses in einem oder in mehreren
289 Bytes kodiert ist:
291 $ echo ä | od -c
292 0000000 303 244 \n
293 0000003
295 In diesem Fall sind es zwei Bytes: oktal 303 und 244 . (Den
296 Zeilenumbruch fügt echo(1) hinzu.)
298 Mit dem Programm iconv(1) kann man Text explizit in bestimmte
299 Kodierungen konvertieren. Hier Beispiele, wie die Ausgabe
300 bei Latin1 und wie sie bei UTF-8 aussieht.
302 $ echo ä | iconv -t latin1 | od -c
303 0000000 344 \n
304 0000002
306 $ echo ä | iconv -t utf8 | od -c
307 0000000 303 244 \n
308 0000003
310 Die Ausgabe auf dem eigenen System (ohne die iconv-Konvertierung)
311 wird recht sicher einer dieser beiden Ausgaben entsprechen.
313 Nun zum Test der cut-Implementierung. Hat man ein UTF-8-System,
314 dann sollte sich eine POSIX-konforme Implementierung folgendermaßen
315 verhalten:
317 $ echo ä | cut -c 1 | od -c
318 0000000 303 244 \n
319 0000003
321 $ echo ä | cut -b 1 | od -c
322 0000000 303 \n
323 0000002
325 $ echo ä | cut -b 1 -n | od -c
326 0000000 \n
327 0000001
329 Bei einer Pseudo-POSIX-Implementierung ist die Ausgabe in
330 allen drei Fällen wie die mittlere: Es wird das erste Byte
331 ausgegeben.
334 Implementierungen
336 Nun ein Blick auf den Code. Betrachtet wird eine Auswahl an
337 Implementierungen.
339 Für einen ersten Eindruck ist der Umfang des Quellcodes
340 hilfreich. Typischerweise steigt dieser über die Jahre an. Diese
341 Beobachtung kann hier in der Tendenz, aber nicht in jedem Fall,
342 bestätigt werden. Die POSIX-konforme Umsetzung des Zeichenmodus
343 erfordert zwangsläufig mehr Code, deshalb sind diese
344 Implementierungen tendenziell umfangreicher.
347 SLOC Zeilen Bytes Gehört zu Dateidatum Kategorie
348 -----------------------------------------------------------------
349 116 123 2966 System III 1980-04-11 (hist)
350 118 125 3038 4.3BSD-UWisc 1986-11-07 (hist)
351 200 256 5715 4.3BSD-Reno 1990-06-25 (hist)
352 200 270 6545 NetBSD 1993-03-21 (hist)
353 218 290 6892 OpenBSD 2008-06-27 (pseudo)
354 224 296 6920 FreeBSD 1994-05-27 (hist)
355 232 306 7500 NetBSD 2014-02-03 (pseudo)
356 340 405 7423 Heirloom 2012-05-20 (POSIX)
357 382 586 14175 GNU coreutils 1992-11-08 (pseudo)
358 391 479 10961 FreeBSD 2012-11-24 (POSIX)
359 588 830 23167 GNU coreutils 2015-05-01 (pseudo)
362 Das Kandidatenfeld teilt sich grob in vier Gruppen: (1) Die zwei
363 ursprünglichen Implementierungen, die sich nur minimal
364 unterscheiden, mit gut 100 SLOCs. (2) Die fünf BSD-Versionen mit
365 gut 200 SLOCs. (3) Die zwei POSIX-konformen Programme und
366 die alte GNU-Version mit 340-390 SLOCs. Und schließlich (4) die
367 moderne GNU-Variante mit fast 600 SLOCs.
369 Die Abweichung zwischen logischen Codezeilen (SLOC, ermittelt mit
370 SLOCcount) und der Anzahl von Zeilenumbrüchen in der Datei (`wc
371 -l') erstreckt sich über eine Spanne von Faktor 1.06 bei den
372 ältesten Vertretern bis zu Faktor 1.5 bei GNU. Den größten
373 Einfluss darauf haben Leerzeilen, reine Kommentarzeilen und
374 die Größe des Lizenzblocks am Dateianfang.
376 Betrachtet man die Abweichungen zwischen den logischen Codezeilen
377 und der Dateigröße (`wc -c'), so pendelt das Teilnehmerfeld
378 zwischen 25 und 30 Bytes je Anweisung. Die Heirloom-Implementierung
379 weicht mit nur 21 nach unten ab, die GNU-Implementierungen mit
380 fast 40 nach oben. Bei GNU liegt dies hauptsächlich an deren
381 Programmierstil, mit spezieller Einrückung und langen Bezeichnern.
382 Ob man die Heirloom-Implementierung
383 [ XXX
384 als besonders kryptisch
385 oder als besonders elegant bezeichnen will, das soll der
386 eigenen Einschätzung des Lesers überlassen bleiben. Vor allem
387 der Vergleich mit einer GNU-Implementierung
388 [ XXX
389 ist eindrucksvoll.
392 Die interne Struktur der Programmcodes (in C) ist meist ähnlich.
393 Neben der obligatorischen main-Funktion, die die Kommandozeilenargumente
394 verarbeitet, gibt es im Normalfall eine Funktion, die die
395 Feldauswahl in eine interne Datenstruktur überführt. Desweiteren
396 haben fast alle Implementierungen separate Funktionen für die
397 zwei oder drei Modi. Bei den POSIX-konformen Implementierungen
398 wird die `-b -n'-Kombination als weiterer Modus behandelt, und
399 damit in einer eigenen Funktion umgesetzt. Nur bei der frühen
400 System III-Implementierung (und seiner 4.3BSD-UWisc-Variante)
401 wird außer den Fehlerausgaben alles in der main-Funktion
402 erledigt.
404 Cut-Implementierungen haben typischerweise zwei limitierende
405 Größen: Die Maximalanzahl unterstützter Felder und die maximale
406 Zeilenlänge. Bei System III sind beide Größen auf 512 begrenzt.
407 4.3BSD-Reno und die BSDs der 90er Jahre haben ebenfalls fixe
408 Grenzen (_BSD_LINE_MAX bzw. _POSIX2_LINE_MAX). Bei modernen
409 FreeBSDs, NetBSDs, bei allen GNU-Implementierungen und bei
410 Heirloom kann sowohl die Felderanzahl als auch die maximale
411 Zeilenlänge beliebig groß werden; der Speicher dafür wird
412 dynamisch alloziiert. OpenBSD ist ein Hybrid aus fixer
413 Maximalzahl an Feldern, aber beliebiger Zeilenlänge. Die
414 begrenzte Felderanzahl scheint jedoch kein Praxisproblem
415 darzustellen, da _POSIX2_LINE_MAX mit mindestens 2048 durchaus
416 groß genug sein sollte.
419 Beschreibungen
421 Interessant ist zudem ein Vergleich der Kurzbeschreibungen von
422 cut, wie sie sich in der Titelzeile der Manpages oder manchmal
423 am Anfang der Quellcodedatei finden. Die folgende Liste
424 ist grob zeitlich geordnet und nach Abstammung gruppiert:
427 System III cut out selected fields of each line of a file
428 System III (src) cut and paste columns of a table (projection of a relation)
429 System V cut out selected fields of each line of a file
430 HP-UX cut out (extract) selected fields of each line of a file
432 4.3BSD-UWisc (src) cut and paste columns of a table (projection of a relation)
433 4.3BSD-Reno select portions of each line of a file
434 NetBSD select portions of each line of a file
435 OpenBSD 4.6 select portions of each line of a file
436 FreeBSD 1.0 select portions of each line of a file
437 FreeBSD 10.0 cut out selected portions of each line of a file
438 SunOS 4.1.3 remove selected fields from each line of a file
439 SunOS 5.5.1 cut out selected fields of each line of a file
441 Heirloom Tools cut out selected fields of each line of a file
442 Heirloom Tools (src) cut out fields of lines of files
444 GNU coreutils remove sections from each line of files
446 Minix select out columns of a file
448 Version 8 Unix rearrange columns of data
449 ``Unix Reader'' rearrange columns of text
451 POSIX cut out selected fields of each line of a file
454 Die mit ``(src)'' markierten Beschreibungen sind aus dem
455 jeweiligen Quellcode entnommen. Der POSIX-Eintrag enthält
456 die Beschreibung im Standard. Der ``Unix Reader'' ist ein
457 rückblickendes Textdokument von Doug McIlroy, das das
458 Auftreten der Tools in der Geschichte des Research Unix zum
459 Thema hat.
460 [ http://doc.cat-v.org/unix/unix-reader/contents.pdf
461 Eigentlich sollte seine Beschreibung der in Version 8 Unix
462 entsprechen. Die Abweichung könnte ein Übertragungsfehler
463 oder eine nachträgliche Korrektur sein. Alle übrigen
464 Beschreibungen entstammen den Manpages.
466 Oft ist mit der Zeit die POSIX-Beschreibung übernommen
467 oder an sie angeglichen worden, wie beispielsweise bei FreeBSD.
468 [ https://svnweb.freebsd.org/base?view=revision&revision=167101
470 Interessant ist, dass die GNU coreutils seit Anbeginn vom
471 Entfernen von Teilen der Eingabe sprechen, wohingegen die
472 Kommandozeilenangabe klar ein Auswählen darstellt. Die
473 Worte ``cut out'' sind vielleicht auch zu missverständlich.
474 HP-UX hat sie deshalb präzisiert.
476 Beim Begriff, was selektiert wird, ist man sich ebenfalls
477 uneins. Die Einen reden von Feldern (POSIX), Andere von
478 Abschnitten bzw. Teilen (BSD) und wieder Andere von Spalten
479 (Research Unix). Ironischerweise leistet sich gerade Version
480 8 Unix, das eigentlich um eine sehr treffende Weltsicht
481 bemüht ist, mit ``rearrange columns of data'' die
482 unzutreffendste der Beschreibungen.
485 Autoreninfo
487 Markus Schnalke interessiert sich für die Hintergründe
488 von Unix und seinen Werkzeugen. Für die Erarbeitung dieses
489 Textes wurde er regelrecht zum Historiker.
492 Lizenz
494 CC0 (und kann damit auch unter CC BY-SA 4.0 Unported
495 veröffentlicht werden)