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Some more minor cleanups in the text. Already done on 2014-11-05 and thus part of the PB publication.
author markus schnalke <meillo@marmaro.de>
date Fri, 21 Nov 2014 08:50:55 +0100
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.U2 "OA
.P
Ein grosser Unterschied zwischen Open Access und den anderen
Konzepten ist die Menge und Vielfalt seiner Beteiligten. Waehrend
sich die anderen Konzepte um kleine Gruppen von aehnlich
Denkenden herum aufbauen, ist der Open Access eine Bewegung, an der sehr
viele Personen, Institutionen und Unternehmen mit ihrern
eigenen, unterschiedlichen Interessen mitformen, ohne dass es eine
klare Fuehrung gaebe.
Wohingegen die anderen Konzepte anerkannte
Definitionen vorweisen koennen, gelingt dies dem Open Access
nicht.
.P
Das hat Gruende:
Zu stark ist die systemimmanente
Heterogenitaet der Wissenschaft. Zu schwer faellt es den
Wissenschaftlern sich zu organisieren, zumindest sich schlagkraeftig
und konsequenzbereit zu organisieren.
Zu stark sind die Traditionen
des Publizierens. Zu sehr sind die Wissenschaftler vom Mitspielen
im System abhaengig.
Zu stark ist aber auch die Einflussposition der Unternehmen.
.P
So herrscht bei den Wissenschaftlern zumeist ein Pragmatismus vor,
der lediglich den Ertraeglichkeitslevel akzeptabel halten will. Der
idealistische Wunsch der grundlegenden Verbesserung geht oft neben den
pragmatischen Anforderungen unter.
Auch bei der Open Source gibt es solche Tendenzen; dort sind sie
jedoch deutlich schwaecher ausgepraegt. Als Microsoft mit seinem
.I "Shared Source" -Konzept
auf den Open Source-Zug aufspringen wollte, wurde das als reine
Nutzniesserei, ohne erkennbare Unterstuetzung des Kerngedankens des
Open Source, verurteilt.
.[
perens stand together
.]
Folglich wendete sich die Gemeinschaft ab.
Diese Abgenzung von reinen Trittbrettfahrern, die die Integritaet
der Bewegung verwaessern wuerden, fehlt dem Open
Access bislang. Der Begriff ``Open Access'' wird fast wahllos
verwendet. Die wissenschaftliche
Gemeinschaft (Welche Gemeinschaft denn?) hat noch keine Form
der Abgrenzung und Reinhaltung ihres Konzeptes gefunden. Wie
sollte sie auch, wo sie sich selbst noch nicht klar ist welche
Werte und Forderungen sie denn vertritt. So sind es nun vielmehr
die Unternehmen, die die Praxis des Open Access praegen und
ausgestalten. Nach anfaenglichen Startschuessen haben die
Wissenschaftler heute die Kontrolle grossteils wieder aus der Hand
gegeben.
.P
Kritisch zu sehen ist dabei sicher die Folge der fortwaehrenden
Abhaengigkeit von der Verwertungsindustrie. Diese favorisiert
logischerweise den Goldenen Weg. Die verwerterunabhaengige
Zugaenglichmachung, auf dem Gruenem Weg, geht als
\fIZweit\fPveroeffentlichung in das Verstaendnis der
Wissenschaftler ein. Wie anders waere die Situation, wuerden die
Wissenschaftler die freien Repositorien als natuerlichen ersten
Veroeffentlichungsort waehlen und anschliessend in einem Verlag
zweitveroeffentlichen. Zu abwegig scheint dieser Ansatz nicht zu
sein, denn beispielsweise mit dem Preprint-Server ArXiv ist die
Praxis in der Physik gar nicht so weit davon entfernt.
.P
Bei der Freien Software und den Free Cultural Works ist diese
Denkweise der Normalfall: Als erstes dem Volk, dann den
Verwertern. Entscheidend dabei ist, dass dort nichts gegen eine
kommerzielle Verwertung spricht, nur darf dieses Bestreben die
Rechte der Allgemeinheit nicht beschraenken. Beim Open Access
dagegen gehen die Tendenzen oftmals in Richtung
Non-Commercial-Einschraenkung. Das wird zum einen daran liegen,
dass sich die Verwerter dieses Marktfeld exklusiv reservieren
wollen und andererseits manche Wissenschaftler dadurch die
Unternehmen von der Verwertung ihrer Werke ausschliessen wollen.
Die Freie Software verwendet dazu lieber das Copyleft-Prinzip, das
die kommerzielle Nutzung sehr wohl zulaesst, aber sicherstellt,
dass jeder die gleichen Moeglichkeiten der kommerziellen
Nutzung hat.
.P
Mit Bezug auf den Open Source kann man sachlich argumentieren,
dass die Offenlegung aller Forschungsdaten und der daraus
entstehenden Publikationen zu besseren Ergebnissen fuehren kann.
Das sogar auf mehrerlei Weise: Man bietet so anderen
Forschern und sonstigen Interessierten die Moeglichkeit Fehler zu
finden und weitere Erkenntnisse zu entdecken, auch werden aufbauende
und zusammenfuehrende Arbeiten gefoerdert, und nicht zuletzt
werden die Wissenschaftler, durch die Gewissheit nachpruefbar zu
sein, sorgfaeltiger arbeiten. Diese Verbesserungen der
wissenschaftlichen Qualitaet muessen nicht eintreten, wenn sie
auch wahrscheinlich sind. Nachteile durch die Offenlegung sind nur
zu befuerchten, wenn die wissenschaftliche Ethik und
Selbstorganisation versagen.
Das bisherige Zoegern der Wissenschaft mag von einem fehlenden
Selbstbewusstsein oder von zu starkem Herdentrieb stammen.
.P
Die Freie Software, der Open Source, und nicht zu letzt die Free
Cultural Works zeigen eine Form der Selbstbestimmung der Urheber,
die der Open Access nicht erkennen laesst.
Der Grund mag darin liegen, dass dort eine groessere Bindung
zum eigenen Werk vorliegt als es bei den Wissenschaftler der Fall
zu sein scheint.
Die Angst, dass einem das eigene Werk ``verliert'', wenn man
Verwertern exklusive Nutzungsrechte einraeumt, die unter denjenigen
vorhanden ist, die ihrer Arbeit aus einer starken persoenlichen
Begeisterung heraus leisten, scheint bei vielen Wissenschaftlern
weniger stark ausgepraegt zu sein.
.P
Diese andere Konzepte zeigen Moeglichkeiten,
wie sich ihre Ziele und Wuensche vertreten lassen, so dass
nebenrangige Beteiligte weiterhin bestehen und wertschoepfend sein
koennen, aber die zentralen Interessen nicht gefaehrdet werden.
Notwendig dafuer ist ein schlagkraeftiger und
akzeptierter Kern an Worfuehrern und eine sich einige, breite
Basis an Anhaengern. Diese muessen klare Definitionen und
Ausrichtungen vorgeben und das Konzept rein halten.
.P
An sich ist die Wissenschaft mit den Open Access auf einem ganz
guten Weg. Die vorhandenen Definitionen sind eine brauchbare
Ausgangsbasis, die bereits Konsolidierungstendenzen aufweist. Auch ein
Bewusstsein fuer die Situation und ihre Hintergruende wird
zunehmend geschaffen, gerade auch von den Bibliotheken.
Entscheidend ist aber, dass das Bemuehen jetzt, wo die Verwerter
einzuschwenken beginnen, nicht nachlaesst. Noch ist nichts
grundlegend geaendert. Auch ist die Situation laengst nicht gut,
nur nicht mehr untragbar. Jetzt ist vielmehr der Zeitpunkt richtig
aktiv zu werden. Jetzt muss die Wissenschaft ihr
Selbstverstaendnis bestaetigen. Jetzt muss sie ihre Definition
von Open Access vereinheitlichen und klarer machen. Jetzt muss
die wissenschaftliche Gemeinschaft an ihrer Selbstkontrolle arbeiten.
Open Access-Publikationen muessen geschaetzt werden. Der
Gemeinschaft vorenthaltene oder nur erschwert zugaengliche
Publikationen muessen benachteilt werden. Verfuegbare
Forschungsdaten muessen geschaetzt werden. Ihr Fehlen kritisiert
werden. Was in der Berlin Declaration schon vor einem Jahrzehnt
gefordert worden ist, muss die Praxis werden.
Die blinde Lobhudelei auf Basis von naiven Kennzahlen muss aufhoeren!
Dabei reicht es aber nicht, nur zu ``bestaerken'' und dass Open
Access-Veroeffentlichungen ``anerkannt werden''.
Nein, die Wissenschaft muss Open Access spuerbar belohnen.
Diese Umsetzung steht der Wissenschaft frei.
Sie muss sich nur selbst organisieren.
Und dann selbst vorleben, wie Richard Stallman.
Dann wird sich etwas aendern.