docs/bib-ref2

view pb/ref2-pb.tex @ 61:0f2510fa7d98

Some more minor cleanups in the text. Already done on 2014-11-05 and thus part of the PB publication.
author markus schnalke <meillo@marmaro.de>
date Fri, 21 Nov 2014 08:50:55 +0100
parents 9b01685b5ee2
children
line source
1 \documentclass[ngerman,german,endnotes]{persbib}
2 \usepackage[utf8]{inputenx}
3 \usepackage{babel}
4 \usepackage{url}
6 \usepackage{pifont} % for \ding
7 \usepackage{caption}
8 \DeclareCaptionLabelSeparator{pb}{:\hspace{1em}}
9 \captionsetup{font={footnotesize,bf}, labelfont=bf, labelsep=pb, format=hang}
10 \captionsetup[figure]{name=Abb., justification=centering}
11 \captionsetup[table]{name=Tab., justification=raggedright, singlelinecheck=off, margin=0pt}
13 \usepackage{enumitem}
14 \setlist[itemize]{leftmargin=\parindent, itemindent=0pt, itemsep=0pt, parsep=0pt, labelsep=.4cm}
16 \deffootnote[1.25em]{1.25em}{1.25em}{\textsuperscript{\thefootnotemark}\,}
18 \flushbottom
19 \setlength{\parskip}{0pt plus 2pt minus 0pt}
20 \setlength{\skip\footins}{2ex plus 4ex minus 1ex}
21 \clubpenalty = 305
22 \widowpenalty = 305
24 \makeatletter % access to internal commands
25 \renewcommand{\@seccntformat}[1]{\csname the#1\endcsname\hspace{1.7em}}
26 \makeatother
28 %\AtEveryCite{\renewcommand{\mkbibtitle}[1]{#1}}
29 %\DeclareFieldFormat[misc]{title}{#1}
30 %\DeclareFieldFormat[misc]{title}{\textbf{#1}}
33 \bibliography{ref2-pb.bib}
35 \title{
36 Open Access, Freie Software und Co.:\\
37 Eine Analyse der Gemengelage
38 }
39 \author{Markus Schnalke}
40 \authoremail{meillo@marmaro.de}
41 \institution{ KIT-Bibliothek / Bibliotheksakademie Bayern }
42 \date{2014-03-07}
45 \begin{document}
47 \maketitle
51 %###################################################################
53 \section{Vier Konzepte}
55 Dieser Beitrag vergleicht den \emph{Open Access} mit der
56 \emph{Freien Software} und ähnlichen Konzepten.
57 Sein Ziel ist es, Parallelen und Unterschiede aufzuzeigen.
59 Da die Freie Software bereits seit den 80er Jahren als Konzept etabliert
60 ist, der Open Access aber erst zwanzig Jahre später aufkam, können,
61 so die Vermutung, aktuelle und zukünftige Entwicklungen beim Open
62 Access nachvollzogen oder sogar vorweg erahnt werden, wenn man sich
63 anschaut, wie sich die Freie Software entwickelt hat.
65 Dass im Titel der Begriff \emph{Freie Software} und nicht
66 \emph{Open Source} vorkommt,
67 wenn auch nur der Begriffsanalogie wegen, ist durchaus Absicht.
68 Die Begriffe sind nicht so austauschbar, wie sie erscheinen mögen.
69 Beide Bewegungen werden in diesem Beitrag behandelt.
70 Daneben wird auch die Free Cultural Works-Bewegung betrachtet,
71 die nach einer großen und lebendigen Allmende strebt.
72 Die vier Konzepte und Bewegungen sind jeweils unterschiedliche
73 Ausprägungen eines ähnlichen Gedankens, nämlich des
74 \emph{Free Contents}.
76 \begin{figure}[hbt]
77 \centering
78 \renewcommand{\arraystretch}{3.0}
79 \begin{tabular}{ r|c|c| }
80 \multicolumn{1}{r}{}
81 & \multicolumn{1}{c}{idealistisch}
82 & \multicolumn{1}{c}{pragmatisch} \\
83 \cline{2-3}
84 Software & Freie Software & Open Source \\
85 \cline{2-3}
86 Texte, etc. & \ Free Cultural Works \ & \qquad Open Access \qquad{} \\
87 \cline{2-3}
88 \end{tabular}
89 \bigskip
90 \caption{Ausrichtung der Konzepte}
91 \end{figure}
95 %###################################################################
96 \section{Hintergründe}
98 Um Konzepte und Bewegungen zu verstehen muss man sich ihre
99 Entstehungsgeschichten und ihre Strukturen anschauen.
103 \subsection{Freie Software}
105 Die Freie Software
106 ist in erster Linie eine ethische und politische Bewegung, bei der die
107 \emph{ Rechte }
108 der Menschen im Mittelpunkt stehen. Das wiederkehrende Leitbild ist
109 der Wunsch, seinem Nachbarn etwas Gutes tun zu können. Dies soll
110 ermöglicht werden. Deshalb soll Software frei sein.
112 Die Freie Software entstand in den 80er Jahren. Bis dahin
113 war alle Software \enquote{frei}. Sie war damals eine Beigabe zur Hardware.
114 Mit dem Beginn der 80er Jahre begannen Unternehmen in Software
115 eine Ware zu sehen, mit der man Geld verdienen kann.
116 \autocite[S. 13]{spiegel06}
117 Statt sie
118 kostenlos mitsamt dem Quellcode der Hardware beizulegen, wie
119 zuvor, wurden die Programme, von da an, immer häufiger verkauft
120 und ihr Quellcode geheim gehalten.
121 Software wurde damit zu einem Produkt, das jemandem gehört.
122 (Der passende Begriff für unfreie Software ist deshalb
123 \enquote{proprietäre Software},
124 \autocite[S. 28]{spiegel06}
125 nicht aber \enquote{kommerzielle Software}.)
127 Die Freie Software entstand daraufhin als Gegenbewegung, wobei sie
128 jedoch nicht den bisherigen Zustand abschaffen, sondern ihn
129 beibehalten wollte. Der unbeschränkte Austausch von Software in
130 Quellcodeform sollte erhalten bleiben. Die Freie Software ist demnach
131 in ihrem Kern von bewahrendem Charakter. Sie stellte sich den neu
132 aufkommenden Entwicklungen der damaligen Zeit, die heute zum
133 Normalfall geworden sind, entgegen.
135 Wenn auch die Vorstellung, Software solle frei sein, in
136 Programmiererkreisen weit verbreitet war, so war es Richard M.
137 Stallman, der fast im Alleingang eine aktive Bewegung daraus machte.
138 Sie manifestierte sich insbesondere im Start des GNU-Projekts (1983),
139 in der Gründung der Free Software Foundation (1985)
140 und im Verfassen der General Public License (1989),
141 die alle von Stallman initiiert und vorangetrieben wurden.
143 Die Kultur des freien Austauschs von Information und Software
144 entstammt primär dem universitären Umfeld. Stallman
145 selbst war am Massachusetts Institute of Technology (MIT) verwurzelt.
146 An der Westküste der USA,
147 v.\,a. an der University of California, gab es ähnliche Bewegungen.
148 Der ethische Fokus der Freien Software und damit seine politische
149 Ausrichtung, die Stallman vertrat, waren jedoch in Kalifornien
150 weniger präsent.
152 Die Grundmotivation der Freien Software ist die ethische Ansicht,
153 dass Software keine Ware sein sollte, die jemandem gehört, sondern
154 ein Gemeingut, das allen zur Verfügung steht. Die Analogie dazu
155 sind Kochrezepte, die ganz natürlich weitergegeben, nachgekocht
156 und abgewandelt werden können.
159 \subsection{Open Source}
161 Open Source, wenn auch ähnlich zur Freien Software, hat eine
162 andere Ausrichtung.
163 Sie schätzt vor allem die verbesserten Möglichkeiten und
164 die daraus resultierenden Konsequenzen,
165 die einem offen stehen, wenn der Quellcode von Software zur Verfügung
166 steht und dieser kopiert, verändert und verbreitet
167 werden darf. Die Grundmotivation ist damit pragmatischer Natur.
169 Mitte der 90er Jahre, nachdem Linux, der Kernel, verfügbar war,
170 als das Web sich verbreitete und Netscape im Browserkampf gegen
171 Microsoft zu verlieren begann, sahen immer mehr Freie
172 Software-Befürworter Probleme an dem Begriff \enquote{Freie Software}
173 und an seiner
174 Ausrichtung. Das lag daran, dass das Wort \enquote{frei} (im Deutschen
175 wie im Englischen) zweideutig ist. Auch Stallmans regelmäßige
176 Aufklärung -- \enquote{Free software is a matter of liberty, not price.
177 To understand the concept, you should think of free as in free
178 speech, not as in free beer.}
179 \autocite{fsf-def}
180 -- löste dieses Problem nicht.
181 \autocite[S. 161f.]{williams02}
182 Folglich wollte das kommerzielle Softwarebusiness
183 nicht auf das Konzept aufspringen; zu stark war
184 die Assoziation zu \enquote{gratis}, wenn auch die
185 Freie Software nie gegen eine kommerzielle Verwertung war, sie ja
186 sogar befürwortet.
187 \autocite{selling-fs}
188 (\enquote{\enquote{Free software} does not mean \enquote{noncommercial}. A free program must
189 be available for commercial use, commercial development, and
190 commercial distribution. Commercial development of free software
191 is no longer unusual; such free commercial software is very
192 important.}
193 \autocite{fsf-def}
194 )
195 Aber das Image passte dennoch nicht, wegen der Zweideutigkeit des
196 Wortes \enquote{frei}.
197 In dem Bestreben, die Freie Software auch im traditionellen
198 Softwarebusiness zu verankern, trafen sich 1998 verschiedene Freie
199 Software-Vertreter, um einen neuen, wirtschaftsfreundlicheren
200 Begriff zu finden. Das Ergebnis war die Bezeichnung \enquote{Open Source}.
201 \autocite[S. 162f.]{williams02}
203 Stallman war zu diesem \enquote{Kick-off-Meeting} nicht eingeladen,
204 da er als zu starrköpfig und kompromisslos galt. Das Ziel der
205 Beteiligten war auch gerade eine Umorientierung, weg von der
206 ethischen und politischen Ausrichtung der Freien Software, die
207 Stallman mit Überzeugung vertrat.
208 Mit der pragmatischen, unpolitischen
209 Ausrichtung der Open Source-Bewegung und der Ausgrenzung von Stallman
210 spaltete sich die Gemeinschaft anschließend teilweise. Die eine
211 Gruppe hielt weiterhin am Begriff \enquote{Freie Software} fest und
212 stand für die ethischen Ziele ein; die andere Gruppe nannte es
213 \enquote{Open Source} und legte auf die technischen Aspekte wert.
214 Diese ideologische Spaltung war jedoch, und ist noch immer,
215 kein Hindernis der gemeinsamen Arbeit, der Kooperation und des
216 Austausches. (Neuere Bezeichnungen wie FLOSS, für \enquote{Free, Libre,
217 and Open Source Software}, zeigen eine wiedervereinigende
218 Motivation, wenn sie auch von vielen kritisch gesehen werden.
219 \autocite{floss-foss})
221 Die Open Source-Bewegung hängt weit weniger an einer einzelnen Person
222 und den von ihr ausgehenden Organisationen und Projekten als die
223 Freie Software mit Stallman.
224 Der Evangelist der Open Source-Bewegung ist Eric S. Raymond.
225 Zusammen mit Bruce Perens hat er 1998 die \emph{Open Source
226 Initiative} (OSI) gegründet.
227 Linus Torvalds, der den Kernel entwickelt hat, und Tim O'Reilly,
228 der Verleger, gehören aber ebenso zu
229 den Vertretern wie inzwischen auch große Softwareunternehmen.
230 Open Source wird heutzutage durchaus businessfreundlich
231 wahrgenommen.
233 Die Grundmotivation für Open Source ist die Ansicht, dass dieses
234 Entwicklungsmodell zu besserer Software führt. Durch die freie
235 Verfügbarkeit von Komponenten sowie durch offene Dokumentation und
236 offenen Code würden Entwickler schneller und besser arbeiten können.
237 Die Mitarbeit von Interessierten würde gefördert werden. Die
238 relevanten Nutzerwünsche würden schneller umgesetzt werden.
239 Angepasste Varianten würde eher entstehen. Die Ergebnisse
240 würden sich schneller verbreiten. Fehler und Sicherheitslücken
241 würden durch die freie Einsichtnahme in den Code schneller
242 gefunden und behoben werden.
243 Ob dem tatsächlich so ist und in welchen Fällen, bleibt
244 weiterhin umstritten.
248 \subsection{Free Cultural Works}
250 Mit den Free Cultural Works (FCW)
251 \autocite{fcw-def}
252 soll nun die Brücke von Software zu anderen Werken,
253 darunter wissenschaftliche Publikationen, geschlagen
254 werden. Bei den Free Cultural Works steht die Gemeinschaft und
255 deren Allmende (das Gemeingut) im
256 % XXX def allmende
257 Zentrum. Werke sollen der Gemeinschaft gehören, nicht einzelnen
258 Individuen. Ziel ist es, eine möglichst große Allmende
259 aufzubauen, um so eine lebendige Kultur zu fördern.
261 Diese Bewegung ist weit weniger bekannt und weniger abgegrenzt
262 als die anderen hier vorgestellten.
263 Sie soll hier als ein konkreter Vertreter einer Vielzahl von
264 ähnlichen Bewegungen, die allesamt die
265 Allmende stärken wollen, auftreten.
266 % Letztlich kann man die Free Cultural Works sogar
267 % als Obermenge aller hier vorgestellter Konzepte sehen, jedoch
268 % sollen sie in dieser Arbeit nur eine bestimmte, sonst nicht vertretene
269 % Ausrichtung füllen (vgl. Abb.\^1).
271 Free Cultural Works wurde 2006 von Erik Möller, mit
272 Unterstützung von Richard Stallman, Lawrence Lessig und weiteren
273 ins Leben gerufen.
274 Sie versuchten, im Kontext von Wikimedia, einen Standard zu legen,
275 was als \enquote{Free Content} angesehen werden kann.
276 Der Nutzen der Free Cultural Works liegt darin, die heterogene Vielzahl
277 von Lizenzen für intellektuelle und kreative Werke nach einem klaren
278 Freiheitsstandard zu klassifizieren. Seit 2008 ist das bei den
279 Creative Commons-Lizenzen der Fall: Nur zwei der sechs CC-Lizenzen
280 (und der Public Domain Dedication CC0)
281 ist die Erzeugung von Free Cultural Works bescheinigt.
282 Desweiteren vermitteln sie ein Bewusstsein für die Freiheit von
283 Werken. Wie auch bei der Freien Software stehen Free Cultural
284 Works nicht gegen die kommerzielle Verwertung, wohl aber gegen
285 das Eigentum an kulturellen Werken.
289 \subsection{Open Access}
291 Open Access ist ein Konzept des wissenschaftlichen
292 Publikationswesens.
293 Er hat im Kern das Streben nach dem Zugang zu Information. Es geht
294 dabei darum, das Wissen aufzunehmen und sich darauf berufen zu können.
295 Die Wissenschaft soll nicht von dem von ihr selbst erzeugten Wissen
296 ausgeschlossen werden.
298 Der Open Access entstand als Antwort auf die Zeitschriftenkrise der
299 90er Jahre. Er kam v.\,a. in den STM-Wissenschaften auf, da dort
300 Zeitschriftenartikel die Hauptpublikationsform darstellen. Open Access
301 soll eine Alternative zu den immer teurer werdende
302 Zeitschriftenabonnements, die zunehmend größere Teile der
303 Wissenschaftswelt den Zugang zum publizierten Wissen erschweren,
304 bieten. Im gleichen Zug spielt die
305 Unzufriedenheit der Autoren über die zumeist exklusiv abzutretenden
306 Rechten an ihren Werken mit. Auch die Frage,
307 wie es um die Notwendigkeit von Verlagen bestellt ist, wo das Internet
308 und umso mehr das Web mit Repositorien und Kommunikationskanälen
309 ähnliche Verbreitungsmöglichkeiten ohne Rechteabtritt und quasi
310 kostenlos bietet, steht im Raum.
312 Im Gegensatz zur Entstehung der Freien Software, wo der Status Quo
313 beibehalten werden sollte, geht es beim Open Access darum, eine
314 Neuordnung der Situation zu erreichen. Diese Neuordnung wurde
315 durch das Web, wo jeder selbst Verleger sein kann, ermöglicht.
316 Wo die Freie Software von einer einzelnen Person, Richard Stallman,
317 vorangetrieben wird, und beim Open Source eine gemeinsame Linie
318 vorherrscht, gibt es
319 beim Open Access eine Menge heterogener Akteure. So existiert
320 auch keine von allen anerkannte, klare Definition des Begriffs,
321 sondern eine Vielzahl von großteils impliziten oder schwammigen
322 Definitionen.
324 Die zwei etablierten Open Access-Wege -- der Grüne und der Goldene
325 -- sollen hier nur kurz erwähnt werden, denn sie beschreiben
326 \emph{Umsetzungen} des Konzeptes, nicht aber das Konzept selbst.
327 Bei ihnen geht es um finanzielle Aspekte und den Ort der
328 Veröffentlichung. Für diesen Beitrag sind sie nebensächlich.
330 Open Access entspricht insofern der Ausrichtung von Open Source, da
331 es auch darin primär um pragmatische Aspekte geht. Der Wunsch der
332 Wissenschaftler ist es, schnell, einfach und kostenlos auf
333 wissenschaftliche Erkenntnisse zugreifen zu können, die konkrete
334 Rechtesituation oder gar der ethische Aspekt freien Wissens
335 stehen im Hintergrund. Bei Open Source ist jedoch
336 ein deutlich stärkeres Bewusstsein für eine klare Definition,
337 Rechtslage und Einheitlichkeit vorhanden.
338 Dies liegt wohl zum einen am Charakter seiner Beteiligten, die als
339 Programmierer genaue Definitionen schätzen, als
340 auch an ihrer Geburt aus der Freien Software,
341 die eine klare Rechtslage als eine Kernaufgabe sieht.
342 Nicht zuletzt ermöglichen auch anerkannte Leitfiguren
343 eine Einigung auf klare Worte.
347 %###################################################################
348 \section{Realisierungen}
350 Dieser Abschnitt stellt die Definitionen der verschiedenen
351 Konzepte und typische Lizenzen vor.
354 \subsection{Freie Software}
356 Für die Freie Software gibt es eine Definition der Free Software
357 Foundation,
358 \autocite{fsf-def}
359 die vier Freiheiten umfasst. Sind diese gegeben, dann
360 wird ein Stück Software als frei angesehen:
362 \begin{itemize}
363 \item The freedom to run the program, for any purpose (freedom~0).
364 \item
365 The freedom to study how the program works, and change it so
366 it does your computing as you wish (freedom~1). Access to the
367 source code is a precondition for this.
368 \item
369 The freedom to redistribute copies so you can help your
370 neighbor (freedom~2).
371 \item
372 The freedom to distribute copies of your modified versions to
373 others (freedom~3). By doing this you can give the whole community
374 a chance to benefit from your changes. Access to the source code
375 is a precondition for this.
376 \end{itemize}
378 \noindent
379 Die FSF pflegt eine Liste von Software-Lizenzen, die sie nach
380 dieser Definition als frei ansieht.
381 \autocite{fsf-licenses}
382 Die \emph{General Public License} (GPL)
383 \autocite{gpl}
384 ist die typische Lizenz für die Freie Software-Bewegung.
385 Sie basiert auf einem besonderen Konstrukt, dem
386 \emph{Copyleft}.
387 \autocite{copyleft}
388 Dieses erzwingt, dass
389 jedes abgeleitete Werk wiederum unter der gleichen Lizenz stehen
390 muss. Damit wird verhindert, dass ein Stück GPL-lizenzierter Code
391 jemals auf eine Weise genutzt werden kann, die nicht jedermann
392 gleichfalls zur Verfügung steht. Alle auf Copyleft-Werke aufbauenden
393 Werke werden also wiederum Freie Software sein.
394 Dieser Zwang wird von manchen als Einschränkung der individuellen
395 Freiheit angesehen, von anderen dagegen als Sicherung der Freiheit
396 aller.
400 \subsection{Open Source}
402 Die Open Source-Definition der Open Source Initiative
403 \autocite{osi-def}
404 ist eine leicht abgewandelte Formulierung der
405 Debian Free Software Guidelines,
406 \autocite{dfsg}
407 welche für die
408 GNU/\-Linux-Distribution \emph{Debian} entwickelt worden sind.
409 Die Ausrichtung auf die Bedürfnisse einer Distribution, also
410 eines Projektes, das verschiedene Programme sinnvoll
411 zusammenstellt, geeignet anpasst und dann als \enquote{Sammelwerk}
412 verbreitet, sind klar zu erkennen. Die Definition ist folglich
413 eine Checkliste,
414 die Lizenzen durchlaufen müssen, damit die damit lizensierte Software
415 in die Distribution aufgenommen werden kann. Gefordert werden:
417 \begin{itemize}
418 \item Free Redistribution
419 \item Source Code
420 \item Derived Works
421 \item Integrity of The Author's Source Code
422 \item No Discrimination Against Persons or Groups
423 \item No Discrimination Against Fields of Endeavor
424 \item Distribution of License
425 \item License Must Not Be Specific to a Product
426 \item License Must Not Restrict Other Software
427 \item License Must Be Technology-Neutral
428 \end{itemize}
430 \noindent
431 Eine präferierte Open Source-Lizenz gibt es nicht. Dem Charakter
432 von Open Source entsprechen BSD-artige Lizenzen aber am besten.
433 Der Kern deren Aussage lässt sich umgangsprachlich so zusammenfassen:
434 Mache mit dieser Software was du willst, solange du sagst, wer
435 sie geschrieben hat. Und erwarte keine Garantie oder Haftung für
436 irgendwas.
438 Zum allergrößten Teil entsprechen sich die Definitionen der OSI und
439 FSF bei der Frage, wie eine konkrete Lizenz klassifiziert wird:
440 \enquote{The two definitions lead to the same result in practice, but use
441 superficially different language to get there.}
442 \autocite{osi-faq}
447 \subsection{Free Cultural Works}
449 Inspiriert von der Definition von Freier Software erfordern Free
450 Cultural Works folgende essentiellen Freiheiten:
451 \autocite{fcw-def}
453 \begin{itemize}
454 \item The freedom to use and perform the work
455 \item The freedom to study the work and apply the information
456 \item The freedom to redistribute copies
457 \item The freedom to distribute derivative works
458 \end{itemize}
460 \noindent
461 Daneben gibt es zusätzliche Anforderungen:
463 \begin{itemize}
464 \item Availability of source data
465 \item Use of a free format
466 \item No technical restrictions
467 \item No other restrictions or limitations
468 \end{itemize}
470 \noindent
471 Wenn auch keine weiteren Einschränkungen und Begrenzungen erlaubt
472 sind, so gibt es bestimmte Einschränkungen, die akzeptabel
473 sind, ohne die essentiellen Freiheiten zu beeinflussen:
475 \begin{quote}
476 In particular, requirements for attribution, for symmetric
477 collaboration (i.e., \enquote{copyleft}), and for the protection of
478 essential freedom are considered permissible restrictions.
479 \end{quote}
481 \noindent
482 Typische Lizenzen für Free Cultural Works sind die zwei Creative
483 Com\-mons-Lizenzen CC BY und CC BY-SA, sowie die Public Domain
484 Dedication CC0. (Die anderen CC-Lizenzen sind unfrei im Sinne dieser
485 Definition.)
487 Auch für Free Cultural Works gibt es eine Liste von
488 Lizenzen, die den Anforderungen genügen.
489 \autocite{fcw-licenses}
493 \subsection{Open Access}
495 Eine singuläre, anerkannte Definition, wie es für die anderen
496 Konzepte der Fall ist, gibt es für Open Access nicht.
497 Über die Jahre entstanden allerlei Definitionen, die sich teilweise
498 unterscheiden.
500 Die erste Definition, die den Begriff \enquote{Open Access} verwendet
501 hatte, war die \emph{Budapest Open Access Initiative}
502 \autocite{budapest02}
503 in 2002. Sie definiert:
505 \begin{quote}
506 The literature that should be freely accessible online is that which
507 scholars give to the world without expectation of payment. [...] By
508 \enquote{open access} to this literature, we mean its free availability on the
509 public internet, permitting any users to read, download, copy, distribute,
510 print, [...], or use them for any other lawful purpose, without financial,
511 legal, or technical barriers other than those inseparable from gaining
512 access to the internet itself. The only constraint on reproduction and
513 distribution, and the only role for copyright in this domain, should be
514 to give authors control over the integrity of their work and the right
515 to be properly acknowledged and cited.
516 \end{quote}
518 \noindent
519 Ein Jahr später erschien die
520 \emph{Berlin Declaration on Open Access to Knowledge
521 in the Sciences and Humanities}:
522 \autocite{berlin03}
524 \begin{quote}
525 The author(s) and right holder(s) of such contributions grant(s)
526 to all users a free, irrevocable,
527 worldwide, right of access to, and a license to copy, use,
528 distribute, transmit and display the work
529 publicly and to make and distribute derivative works, in any
530 digital medium for any responsible
531 purpose, subject to proper attribution of authorship ([...]),
532 as well as the right to make small numbers of
533 printed copies for their personal use.
534 \end{quote}
536 \noindent
537 (Sie basiert stark, teilweise sogar im Wortlaut, auf dem
538 \emph{Bethesda Statement on Open Access Publishing},
539 \autocite{bethesda03}
540 ebenfalls von 2003.)
542 Hier sind abgeleitete Werke nun auch explizit beachtet.
543 Über die Budapester Erklärung hinaus geht auch die Forderung,
544 dass das Werk mitsamt aller Quellmaterialien in einem Repositorium
545 veröffentlicht werden muss.
546 Zudem
547 unterscheidet man zwischen der digitalen und materiellen
548 Vervielfältigung und Verbreitung. Das kann sicher als
549 Zugeständnis an das Verlagswesen gewertet werden. Bei der Freien
550 Software gibt es diese Unterscheidung nicht. Bei Open Source ist
551 sie sogar explizit ausgeschlossen.
552 Im Gegensatz zur Budapester Erklärung ist das Thema der Kosten
553 nicht so prominent präsentiert. Das entspricht der Situation bei
554 den Definitionen für Freie und Open Source Software --
555 libre, nicht gratis.
557 Als typische Lizenzen für Open Access-Inhalte haben sich die
558 Creative Commons-Lizenzen etabliert. In der Neuauflage der
559 Budapester Empfehlungen von 2012
560 wird sogar explizit die CC BY-Lizenz empfohlen.
561 \autocite{budapest12}
562 Die Tendenz zu CC BY scheint sich (zumindest für
563 Zeitschriftenartikel) durchzusetzen.
564 Daneben sind aber auch die anderen CC-Lizenzen (v.\,a. CC
565 BY-NC, CC BY-ND und CC BY-NC-ND) verbreitet.
566 Was die reinen Quelldaten angeht, so werden diese inzwischen
567 zumeist unter CC0 veröffentlicht ... falls sie denn veröffentlicht
568 werden.
572 \begin{table}[h]
573 \centering
574 \footnotesize
575 \caption{Geforderte Rechte}
576 \bigskip
577 \renewcommand{\arraystretch}{1.3}
578 \begin{tabular*}{\textwidth}{ l | c c c c c }
579 Definition & Nutzen$^{*}$ & Kopieren & Verbreiten & Verändern & Veränderungen verbreiten \\
580 \hline
581 FSF & \ding{51} & \ding{51} & \ding{51} & \ding{51} & \ding{51} \\
582 OSI & \ding{51} & \ding{51}$^{\dag}$ & \ding{51} & \ding{51} & \ding{51} \\
583 FCW & \ding{51} & \ding{51} & \ding{51} & \ding{51} & \ding{51} \\[9pt]
584 Budapest & \ding{51} & \ding{51} & \ding{51} & --- & --- \\
585 Berlin & \ding{51} & \ding{51}$^{\ddag}$ & \ding{51} & \ding{51} & \ding{51} \\
586 \end{tabular*}
587 \medskip
588 \caption*{
589 \normalfont
590 \scriptsize
591 \begin{tabular}{l l}
592 $*$ & Betrachten, Lesen, Ausführen, etc. \\
593 $\dag$ & Nicht explizit erwähnt, aber notwendigerweise als
594 Voraussetzung angesehen \\
595 $\ddag$ & Ausdrucke nur in kleinen Stückzahlen für den
596 persönlichen Gebrauch \\
597 \end{tabular}
598 }
599 \end{table}
603 %###################################################################
604 \section{Diskussion}
606 \subsection{Freiheit}
608 %--- freiheit
610 Die verschiedenen Bewegungen scheiden sich an der Frage, was
611 als wichtiger angesehen wird, die Freiheit der Information
612 im Generellen oder ihr konkreter praktischer Wert zum aktuellen
613 Zeitpunkt.
615 Die Freie Software-Bewegung legt größten Wert auf die Freiheit,
616 denn in ihr sieht sie die Voraussetzung für alle anderen
617 Bestrebungen.
618 Bruce Perens, der 1998 die Open Source Initiative mitgegründet
619 hatte, wandte sich ein Jahr später wieder davon ab und der
620 Freien Software zu, da für ihn der Wert der Freiheit wichtiger
621 erschien:
622 \autocite{perens-fs}
624 \begin{quote}
625 Most hackers know that Free Software and Open Source are just two
626 words for the same thing. Unfortunately, though, Open Source has
627 de-emphasized the importance of the freedoms involved in Free
628 Software. It's time for us to fix that. We must make it clear to
629 the world that those freedoms are still important, and that
630 software such as Linux would not be around without them.
631 \end{quote}
633 \noindent
634 Die Neuauflage der Empfehungen der Budapest Open Access Initiative
635 liefert im Bezug auf die Bedeutung der Freiheit eine Rangfolge in
636 erfreulicher Klarheit:
637 \enquote{[...] we recognize that gratis access is better than priced
638 access, libre access is better than gratis access, and libre under
639 CC-BY or the equivalent is better than libre under more
640 restrictive open licenses.}
641 \autocite{budapest12}
642 (Nur über die konkrete Empfehlung von CC BY und was hier
643 \enquote{equivalent} bedeutet lässt sich streiten.)
645 %--- abhaengigkeit
647 Kritisch am Open Access zu sehen ist die fortwährende
648 Abhängigkeit von der Verwertungsindustrie. Diese favorisiert,
649 verständlicherweise, den Goldenen Weg, welcher diese Abhängigkeit
650 beibehält. Die Verwerter-unabhängige Zugänglichmachung auf dem
651 Grünem Weg, geht als \emph{Zweit}veröffentlichung in das
652 Verständnis der Wissenschaftler ein.
653 Wie anders wäre die Ausgangsbasis, würden die
654 Wissenschaftler die freien Repositorien als natürlichen ersten
655 Veröffentlichungsort wählen und anschließend in einem Verlag
656 zweitveröffentlichen! Zu abwegig scheint dieser Ansatz nicht zu
657 sein, denn beispielsweise mit dem Preprint-Server ArXiv ist die
658 Praxis in der Physik gar nicht so weit davon entfernt.
660 %--- entscheidungsfreiheit
662 Die idealistischen Bewegungen versuchen stets Abhängigkeiten zu
663 vermeiden, um ihre eigene Entscheidungsfreiheit zu bewahren.
664 Dabei spielt die Zusammensetzung der Beteiligten eine Rolle.
665 Wie groß ist der Anteil derjenigen, die aus einem inneren Bedürfnis
666 heraus, meist in ihrer Freizeit, aktiv sind, und wie groß ist der
667 Anteil jener, für die es ein Job zum Lebensunterhalt ist?
668 Die erste Gruppe tut sich deutlich einfacher damit,
669 ihren persönlichen Vorstellungen nachzugehen. Die zweite Gruppe
670 befindet sich in der Abhängigkeit, immer auch Erwartungen
671 von außen entsprechen zu müssen. Ihre Entscheidungsfreiheit ist
672 schon von Beginn an beschränkt.
674 %--- selbstbestimmung
676 Die Bewegungen Freie Software, Open Source, und nicht zuletzt Free
677 Cultural Works zeigen eine Form der Selbstbestimmung der Urheber,
678 die der Open Access nicht erkennen lässt.
679 Der Grund mag darin liegen, dass bei ersteren eine größere Bindung
680 zum eigenen Werk vorliegt, als es bei den Wissenschaftler der Fall
681 zu sein scheint.
682 Die Angst, dass man das eigene Werk \enquote{verliert}, wenn man
683 Verwertern exklusive Nutzungsrechte einräumt, scheint bei den
684 Wissenschaftlern nicht allzu groß zu sein. Die Veröffentlichung
685 wird scheinbar mehr als Mittel zum Zweck gesehen. Wo aber das eigene
686 Werk hoch geschätzt wird, wird ein größeres Bewusstsein für
687 die (Urheber-)Rechtslage vorhanden sein. Unter freien Lizenzen
688 bleibt einem selbst sein Werk zwar nicht vorbehalten, man kann
689 aber die Rechte daran auch nicht verlieren.
693 \subsection{Gemeingut}
695 %--- zielgruppe
697 Eine weitere Unterscheidung der Bewegungen lässt sich im Bezug
698 auf die Hauptzielgruppe treffen:
699 Geht es in erster Linie um die Interessen der Gemeinschaft oder
700 um die Interessen der Einzelperson?
702 Alle vorgestellten Bewegungen haben die gesamte Menschheit im
703 Blick, wenn auch mit unterschiedlich starkem Fokus darauf.
704 Sind also Ausnahmen für Untergruppen, wie beispielsweise
705 die Forschung und Lehre, akzeptabel oder nicht? Die Bewegungen,
706 die ethische Gesichtspunkte vertreten, verneinen. Die
707 pragmatischen Bewegungen sehen darin aber eine einfachere
708 Durchsetzbarkeit und somit mittelfristige Vorteile.
709 Ob durch das ungenutzte, weil ausgegrenzte Potenzial oder durch
710 immer wieder neu zu erkämpfende Grenzbereiche langfristige
711 Nachteile entstehen, bleibt zu klären.
712 Bei der Freien Software und den Free Cultural Works ist klar:
713 Zuerst dem Volk, dann den Verwertern.
714 Entscheidend dabei ist aber, dass nichts gegen eine kommerzielle
715 Verwertung spricht, nur darf dieses Bestreben die
716 Rechte der Allgemeinheit nicht beschränken.
718 Ein schönes Beispiel für eine Verpflichtungserklärung der
719 Menschheit gegenüber ist der \emph{Debian Social Contract}.
720 \autocite{dsc}
721 Eine so klare und konkrete Erklärung der Wissenschaft der Menschheit
722 gegenüber wäre ein wertvolles Leitbild für die Open
723 Access-Bewegung. Die Open Access-Erklärungen enthalten zwar Leitbilder,
724 diese sind aber leider allzu oft voll wolkiger Worthülsen.
725 Verständlich ist das Bedürfnis, sich nicht festnageln lassen zu
726 wollen, gerade das jedoch wäre ein wichtiger Schritt in Richtung
727 Glaubwürdigkeit.
729 %--- nc
731 Die im Open Access verbreitete Tendenz zu
732 Non-Commercial-Ein\-schränk\-ung\-en (NC) gibt es bei den anderen Bewegungen
733 nicht. Dort sieht man in kommerziellen Angeboten einen Mehrwert,
734 auf den man nicht verzichten will.
735 Beim Open Access mag die Tendenz daher rühren, dass auch die
736 Verwerter selbst in der Bewegung aktiv sind und sich dieses
737 Marktfeld exklusiv reserviert halten wollen.
739 Das Bedürfnis, zu verhindern, dass sich Andere am eigenen Werk
740 bedienen ohne etwas zurückzugeben, ist durchaus auch in den anderen
741 Bewegungen vorhanden.
742 Das Mittel der Wahl dagegen ist das Copyleft-Prinzip.
743 Dieses lässt die kommerzielle Nutzung sehr wohl zu, stellt aber
744 sicher, dass jeder die gleichen Möglichkeiten der kommerziellen
745 Nutzung hat und dass jedes aufbauende Werk dem ursprünglichen
746 Urheber (und jedem sonst) ebenfalls zur Verfügung steht.
748 %--- copyleft
750 Ob nun solche Copyleft-Lizenzen gut sind oder nicht, darüber ist
751 sich die Gemeinschaft nicht einig.
752 Beide Lizenztypen, die mit Copyleft (z.\,B. die GPL) und die ohne
753 (z.\,B. die BSD-artigen), bestehen
754 nebeneinander, und das schon seit dreißig Jahren. Es ist nicht
755 abzusehen, dass eine Art die Oberhand gewinnen würde.
756 Bei den Creative Commons-Lizenzen gibt es mit CC BY und CC BY-SA
757 ein äquivalentes Paar. (Dort wird \enquote{Copyleft} als \enquote{Share-alike}
758 bezeichnet.) Auch hier werden wahrscheinlich beide Arten nebeneinander,
759 gut möglich für unterschiedliche Publikationsformen,
760 fortbestehen, da sie unterschiedliche Vor- und Nachteile haben.
763 \subsection{Schlagkraft}
765 %--- heterog.
767 Ein großer Unterschied zwischen Open Access und den anderen
768 Konzepten ist die Menge seiner unterschiedlichen Beteiligten. Während
769 sich die anderen Konzepte um kleine Gruppen von ähnlich
770 Denkenden herum aufbauen, ist der Open Access eine Bewegung, die sehr
771 viele Personen, Institutionen und Unternehmen mit ihren
772 eigenen, unterschiedlichen Interessen mitformen, ohne dass es eine
773 klare Führung gäbe. Wenn auch von den Wissenschaftlern
774 initiiert, wirken nun auch viele andere Akteure mit.
775 Als Folge wird der Begriff \enquote{Open Access} inzwischen fast wahllos
776 verwendet. Die wissenschaftliche Gemeinschaft -- falls es die gibt
777 -- hat keine Form der Abgrenzung und Reinhaltung ihres Konzeptes
778 gefunden. Wie sollte sie auch, wo sie sich selbst noch nicht klar
779 ist, welche Werte und Forderungen sie denn vertritt.
780 Wo die anderen Bewegungen anerkannte Definitionen vorweisen können,
781 gelingt dies dem Open Access nicht.
782 Zu stark ist die systemimmanente Heterogenität der Wissenschaft.
783 Zu schwer fällt es den Wissenschaftlern, sich zu organisieren,
784 zumindest sich schlagkräftig und konsequenzbereit zu organisieren.
785 Zu stark sind aber auch die Traditionen des Publizierens, mit
786 der starken Einflussposition der Unternehmen.
787 So sind es nun eben diese Unternehmen, die die Praxis des
788 Open Access prägen und ausgestalten. Nach anfänglichen
789 Startschüssen haben die Wissenschaftler heute die Kontrolle
790 großteils aus der Hand gegeben.
791 Von der Definition des Open Access bleibt als gemeinsamer Nenner
792 letztlich nur der kostenlose (Lese-)Zugriff, also der Wortsinn
793 des Begriffes selbst, übrig. Nur hierin sind sich alle Beteiligten
794 einig.
796 %--- reinhaltung
798 Anders bei der Open Source-Bewegung:
799 Als Microsoft mit seinem
800 \emph{Shared Source}-Konzept
801 auf den Open Source-Zug aufspringen wollte, wurde das als reine
802 Nutznießerei ohne erkennbare Unterstützung des Kerngedankens der
803 Open Source-Bewegung erkannt und verurteilt.
804 \autocite{perens-stand-together}
805 Folglich wendete sich die Gemeinschaft ab.
806 Diese aktive Abgrenzung von reinen Trittbrettfahrern, die die Integrität
807 der Bewegung verwässern würden, fehlt dem Open Access bislang.
808 Sie setzt allerdings ein gemeinsames Selbstverständnis voraus.
810 %--- pragmatismus.
812 Leider herrscht bei den Wissenschaftlern oft ein Pragmatismus vor,
813 der lediglich den Erträglichkeitslevel akzeptabel halten will. Der
814 idealistische Wunsch der grundlegenden Verbesserung geht meist
815 neben den pragmatischen Anforderungen des Alltags unter.
819 \subsection{Qualität}
821 %--- qualitaet
823 Mit Bezug auf Open Source kann man für den Open Access
824 argumentieren, dass die Offenlegung aller Forschungsdaten und der
825 daraus entstehenden Publikationen zu besseren Forschungsergebnissen
826 führen kann. Das sogar auf mehrerlei Weise: Man bietet anderen
827 Forschern und sonstigen Interessierten die Möglichkeit, Fehler zu
828 finden und weitere Erkenntnisse zu entdecken; es werden aufbauende
829 und zusammenführende Arbeiten gefördert; und nicht zuletzt
830 werden die Wissenschaftler, aufgrund der Gewissheit, nachprüfbar zu
831 sein, sorgfältiger arbeiten. Diese Verbesserungen der
832 wissenschaftlichen Qualität müssen nicht eintreten, sie sind
833 aber wahrscheinlich. Nachteile durch die Offenlegung sind nur
834 zu befürchten, wenn die wissenschaftliche Ethik und
835 Selbstorganisation versagen.
836 Das bisherige Zögern der Wissenschaft mag von einem fehlenden
837 Selbstbewusstsein oder von zu starkem Herdentrieb stammen.
841 \subsection{Fazit}
843 %--- lernen aus fs
845 Die in diesem Beitrag vorgestellten Konzepte zeigen Möglichkeiten,
846 wie sich Ziele und Wünsche vertreten lassen, so dass nebenrangige
847 Beteiligte weiterhin bestehen und wertschöpfend sein können,
848 ohne die zentralen Interessen zu gefährden.
849 Notwendig dafür ist eine Bewegung mit einem schlagkräftigen und
850 akzeptierten Kern an Wortführern und eine breite Basis von sich
851 einigen Anhängern. Diese muss klare Definitionen und
852 Ausrichtungen vorgeben und dann das Konzept rein halten.
854 An sich ist die Wissenschaft mit dem Open Access auf einem noch
855 guten Weg. Die vorhandenen Definitionen sind eine brauchbare
856 Ausgangsbasis, die bereits Konsolidierungstendenzen aufweist. Auch ein
857 Bewusstsein für die Situation und ihre Hintergründe wird
858 zunehmend geschaffen, gerade auch von den Bibliotheken.
859 Entscheidend ist aber, dass das Bemühen jetzt, wo die Verwerter
860 einzuschwenken beginnen, nicht nachlässt. Noch ist nichts
861 grundlegend geändert. Noch ist die Situation nicht gut,
862 nur nicht mehr untragbar. Jetzt ist der Zeitpunkt, aktiv zu werden!
863 Jetzt muss die Wissenschaft ihr Selbstverständnis bestätigen!
864 Jetzt muss sie ihre Definition von Open Access klarer machen!
865 Jetzt muss die wissenschaftliche Gemeinschaft an ihrer
866 Selbstorganisation arbeiten!
867 Open Access-Pub\-li\-ka\-tionen müssen geschätzt werden! Der
868 Gemeinschaft vorenthaltene oder nur erschwert zugängliche
869 Publikationen müssen benachteiligt werden! Das Geheimhalten von
870 Forschungsdaten muss kritisiert werden!
871 Was in der Berlin Declaration schon vor einem Jahrzehnt
872 gefordert wurde, muss die Praxis werden!
873 Die blinde Lobhudelei auf der Basis von naiven Kennzahlen muss aufhören!
875 Es reicht aber nicht, die Wissenschaftler nur zu \enquote{bestärken}
876 und Open Access-Veröffentlichungen \enquote{anzuerkennen}.
877 Nein! Die Wissenschaft muss Open Access spürbar wertschätzen!
878 Die Umsetzung steht der Wissenschaft frei.
879 Sie muss sich nur selbst organisieren und dann ihre eigenen Werte leben.
882 \bigskip
883 \bigskip
884 \begingroup
885 \begin{quote}
886 \subsubsection*{Public Domain Dedication}
887 \footnotesize
888 \linespread{1.0}
889 \rightskip1.2cm
890 Für mich selbstvertändlicherweise ist dieses Werk frei (libre),
891 offen und transparent. Das fertige Dokument, sein Quellcode
892 (in Latex) und seine Entstehungsgeschichte (im Versionskontrollsystem)
893 stehen jedermann vollumfänglich zur Verfügung.%
894 \footnote{\url{http://marmaro.de/docs/bib/oa-fs/}.}
895 Mittels \emph{CC0 1.0 Universell}
896 \footnote{\url{http://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/}.}
897 verzichte ich weltweit auf alle urheberrechtlichen
898 und verwandten Schutzrechte, soweit das gesetzlich möglich ist.
899 \end{quote}
900 \endgroup
903 \clearpage
904 \printbibliography
906 \end{document}