diff stuff/oa-rage @ 57:eb0815f21f04

added some auxiliary files: e.g. statistics
author markus schnalke <meillo@marmaro.de>
date Mon, 20 Oct 2014 07:09:57 +0200
parents
children
line wrap: on
line diff
--- /dev/null	Thu Jan 01 00:00:00 1970 +0000
+++ b/stuff/oa-rage	Mon Oct 20 07:09:57 2014 +0200
@@ -0,0 +1,142 @@
+.U2 "OA
+.P
+Ein grosser Unterschied zwischen Open Access und den anderen
+Konzepten ist die Menge und Vielfalt seiner Beteiligten. Waehrend
+sich die anderen Konzepte um kleine Gruppen von aehnlich
+Denkenden herum aufbauen, ist der Open Access eine Bewegung, an der sehr
+viele Personen, Institutionen und Unternehmen mit ihrern
+eigenen, unterschiedlichen Interessen mitformen, ohne dass es eine
+klare Fuehrung gaebe.
+Wohingegen die anderen Konzepte anerkannte
+Definitionen vorweisen koennen, gelingt dies dem Open Access
+nicht.
+.P
+Das hat Gruende:
+Zu stark ist die systemimmanente
+Heterogenitaet der Wissenschaft. Zu schwer faellt es den
+Wissenschaftlern sich zu organisieren, zumindest sich schlagkraeftig
+und konsequenzbereit zu organisieren.
+Zu stark sind die Traditionen
+des Publizierens. Zu sehr sind die Wissenschaftler vom Mitspielen
+im System abhaengig.
+Zu stark ist aber auch die Einflussposition der Unternehmen.
+.P
+So herrscht bei den Wissenschaftlern zumeist ein Pragmatismus vor,
+der lediglich den Ertraeglichkeitslevel akzeptabel halten will. Der
+idealistische Wunsch der grundlegenden Verbesserung geht oft neben den
+pragmatischen Anforderungen unter.
+Auch bei der Open Source gibt es solche Tendenzen; dort sind sie
+jedoch deutlich schwaecher ausgepraegt. Als Microsoft mit seinem
+.I "Shared Source" -Konzept
+auf den Open Source-Zug aufspringen wollte, wurde das als reine
+Nutzniesserei, ohne erkennbare Unterstuetzung des Kerngedankens des
+Open Source, verurteilt.
+.[
+perens stand together
+.]
+Folglich wendete sich die Gemeinschaft ab.
+Diese Abgenzung von reinen Trittbrettfahrern, die die Integritaet
+der Bewegung verwaessern wuerden, fehlt dem Open
+Access bislang. Der Begriff ``Open Access'' wird fast wahllos
+verwendet. Die wissenschaftliche
+Gemeinschaft (Welche Gemeinschaft denn?) hat noch keine Form
+der Abgrenzung und Reinhaltung ihres Konzeptes gefunden. Wie
+sollte sie auch, wo sie sich selbst noch nicht klar ist welche
+Werte und Forderungen sie denn vertritt. So sind es nun vielmehr
+die Unternehmen, die die Praxis des Open Access praegen und
+ausgestalten. Nach anfaenglichen Startschuessen haben die
+Wissenschaftler heute die Kontrolle grossteils wieder aus der Hand
+gegeben.
+.P
+Kritisch zu sehen ist dabei sicher die Folge der fortwaehrenden
+Abhaengigkeit von der Verwertungsindustrie. Diese favorisiert
+logischerweise den Goldenen Weg. Die verwerterunabhaengige
+Zugaenglichmachung, auf dem Gruenem Weg, geht als
+\fIZweit\fPveroeffentlichung in das Verstaendnis der
+Wissenschaftler ein. Wie anders waere die Situation, wuerden die
+Wissenschaftler die freien Repositorien als natuerlichen ersten
+Veroeffentlichungsort waehlen und anschliessend in einem Verlag
+zweitveroeffentlichen. Zu abwegig scheint dieser Ansatz nicht zu
+sein, denn beispielsweise mit dem Preprint-Server ArXiv ist die
+Praxis in der Physik gar nicht so weit davon entfernt.
+.P
+Bei der Freien Software und den Free Cultural Works ist diese
+Denkweise der Normalfall: Als erstes dem Volk, dann den
+Verwertern. Entscheidend dabei ist, dass dort nichts gegen eine
+kommerzielle Verwertung spricht, nur darf dieses Bestreben die
+Rechte der Allgemeinheit nicht beschraenken. Beim Open Access
+dagegen gehen die Tendenzen oftmals in Richtung
+Non-Commercial-Einschraenkung. Das wird zum einen daran liegen,
+dass sich die Verwerter dieses Marktfeld exklusiv reservieren
+wollen und andererseits manche Wissenschaftler dadurch die
+Unternehmen von der Verwertung ihrer Werke ausschliessen wollen.
+Die Freie Software verwendet dazu lieber das Copyleft-Prinzip, das
+die kommerzielle Nutzung sehr wohl zulaesst, aber sicherstellt,
+dass jeder die gleichen Moeglichkeiten der kommerziellen
+Nutzung hat.
+.P
+Mit Bezug auf den Open Source kann man sachlich argumentieren,
+dass die Offenlegung aller Forschungsdaten und der daraus
+entstehenden Publikationen zu besseren Ergebnissen fuehren kann.
+Das sogar auf mehrerlei Weise: Man bietet so anderen
+Forschern und sonstigen Interessierten die Moeglichkeit Fehler zu
+finden und weitere Erkenntnisse zu entdecken, auch werden aufbauende
+und zusammenfuehrende Arbeiten gefoerdert, und nicht zuletzt
+werden die Wissenschaftler, durch die Gewissheit nachpruefbar zu
+sein, sorgfaeltiger arbeiten. Diese Verbesserungen der
+wissenschaftlichen Qualitaet muessen nicht eintreten, wenn sie
+auch wahrscheinlich sind. Nachteile durch die Offenlegung sind nur
+zu befuerchten, wenn die wissenschaftliche Ethik und
+Selbstorganisation versagen.
+Das bisherige Zoegern der Wissenschaft mag von einem fehlenden
+Selbstbewusstsein oder von zu starkem Herdentrieb stammen.
+.P
+Die Freie Software, der Open Source, und nicht zu letzt die Free
+Cultural Works zeigen eine Form der Selbstbestimmung der Urheber,
+die der Open Access nicht erkennen laesst.
+Der Grund mag darin liegen, dass dort eine groessere Bindung
+zum eigenen Werk vorliegt als es bei den Wissenschaftler der Fall
+zu sein scheint.
+Die Angst, dass einem das eigene Werk ``verliert'', wenn man
+Verwertern exklusive Nutzungsrechte einraeumt, die unter denjenigen
+vorhanden ist, die ihrer Arbeit aus einer starken persoenlichen
+Begeisterung heraus leisten, scheint bei vielen Wissenschaftlern
+weniger stark ausgepraegt zu sein.
+.P
+Diese andere Konzepte zeigen Moeglichkeiten,
+wie sich ihre Ziele und Wuensche vertreten lassen, so dass
+nebenrangige Beteiligte weiterhin bestehen und wertschoepfend sein
+koennen, aber die zentralen Interessen nicht gefaehrdet werden.
+Notwendig dafuer ist ein schlagkraeftiger und
+akzeptierter Kern an Worfuehrern und eine sich einige, breite
+Basis an Anhaengern. Diese muessen klare Definitionen und
+Ausrichtungen vorgeben und das Konzept rein halten.
+.P
+An sich ist die Wissenschaft mit den Open Access auf einem ganz
+guten Weg. Die vorhandenen Definitionen sind eine brauchbare
+Ausgangsbasis, die bereits Konsolidierungstendenzen aufweist. Auch ein
+Bewusstsein fuer die Situation und ihre Hintergruende wird
+zunehmend geschaffen, gerade auch von den Bibliotheken.
+Entscheidend ist aber, dass das Bemuehen jetzt, wo die Verwerter
+einzuschwenken beginnen, nicht nachlaesst. Noch ist nichts
+grundlegend geaendert. Auch ist die Situation laengst nicht gut,
+nur nicht mehr untragbar. Jetzt ist vielmehr der Zeitpunkt richtig
+aktiv zu werden. Jetzt muss die Wissenschaft ihr
+Selbstverstaendnis bestaetigen. Jetzt muss sie ihre Definition
+von Open Access vereinheitlichen und klarer machen. Jetzt muss
+die wissenschaftliche Gemeinschaft an ihrer Selbstkontrolle arbeiten.
+Open Access-Publikationen muessen geschaetzt werden. Der
+Gemeinschaft vorenthaltene oder nur erschwert zugaengliche
+Publikationen muessen benachteilt werden. Verfuegbare
+Forschungsdaten muessen geschaetzt werden. Ihr Fehlen kritisiert
+werden. Was in der Berlin Declaration schon vor einem Jahrzehnt
+gefordert worden ist, muss die Praxis werden.
+Die blinde Lobhudelei auf Basis von naiven Kennzahlen muss aufhoeren!
+Dabei reicht es aber nicht, nur zu ``bestaerken'' und dass Open
+Access-Veroeffentlichungen ``anerkannt werden''.
+Nein, die Wissenschaft muss Open Access spuerbar belohnen.
+Diese Umsetzung steht der Wissenschaft frei.
+Sie muss sich nur selbst organisieren.
+Und dann selbst vorleben, wie Richard Stallman.
+Dann wird sich etwas aendern.
+