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author markus schnalke <meillo@marmaro.de>
date Mon, 13 Oct 2014 07:41:22 +0200
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    1.23 +\title{
    1.24 +	Open Access, Freie Software und Co.:\\
    1.25 +	Eine Analyse der Gemengelage
    1.26 +}
    1.27 +\author{Markus Schnalke}
    1.28 +\authoremail{meillo@marmaro.de}
    1.29 +\institution{ KIT-Bibliothek / Bibliotheksakademie Bayern }
    1.30 +\date{2014-03-07}
    1.31 +
    1.32 +
    1.33 +\begin{document}
    1.34 +
    1.35 +\maketitle
    1.36 +
    1.37 +
    1.38 +
    1.39 +%###################################################################
    1.40 +
    1.41 +\section{Vier Konzepte}
    1.42 +
    1.43 +Diese Arbeit vergleicht den \emph{Open Access} mit der
    1.44 +\emph{Freien Software} und ähnlichen Konzepten.
    1.45 +Ihr Ziel ist es, Parallelen und Unterschiede aufzuzeigen.
    1.46 +
    1.47 +Da die Freie Software bereits seit den 80ern als Konzept etabliert ist,
    1.48 +der Open Access aber erst zwanzig Jahre später aufkam, können,
    1.49 +so die Vermutung, aktuelle und zukünftige Entwicklungen beim Open
    1.50 +Access nachvollzogen oder sogar vorweg erahnt werden, wenn man sich
    1.51 +anschaut, wie sich die Freie Software entwickelt hat.
    1.52 +
    1.53 +Dass im Titel der Begriff \emph{Freie Software} und nicht
    1.54 +\emph{Open Source} vorkommt,
    1.55 +wenn auch nur der Begriffsanalogie wegen, ist durchaus Absicht.
    1.56 +Die Begriffe, sind nicht so austauschbar, wie sie erscheinen mögen.
    1.57 +Beide Bewegungen werden in dieser Arbeit behandelt.
    1.58 +Daneben wird auch die Free Cultural Works-Bewegung betrachtet,
    1.59 +die nach einer großen und lebendigen Allmende strebt.
    1.60 +Die vier Konzepte und Bewegungen sind jeweils unterschiedliche
    1.61 +Ausprägungen eines ähnlichen Gedankens, nämlich des
    1.62 +\emph{Free Contents}.
    1.63 +
    1.64 +\begin{figure}[hbt]
    1.65 +\centering
    1.66 +\renewcommand{\arraystretch}{3.0}
    1.67 +\begin{tabular}{ r|c|c| }
    1.68 +\multicolumn{1}{r}{}
    1.69 + & \multicolumn{1}{c}{idealistisch}
    1.70 + & \multicolumn{1}{c}{pragmatisch} \\
    1.71 +\cline{2-3}
    1.72 +Software & Freie Software & Open Source \\
    1.73 +\cline{2-3}
    1.74 +Texte, etc. & \ Free Cultural Works \  & \qquad Open Access \qquad{}  \\
    1.75 +\cline{2-3}
    1.76 +\end{tabular}
    1.77 +\bigskip
    1.78 +\caption{\textbf{Ausrichtung der Konzepte}}
    1.79 +\end{figure}
    1.80 +
    1.81 +
    1.82 +
    1.83 +%###################################################################
    1.84 +\section{Hintergründe}
    1.85 +
    1.86 +Um Konzepte und Bewegungen zu verstehen muss man sich ihre
    1.87 +Entstehungsgeschichten und ihre Strukturen anschauen.
    1.88 +
    1.89 +
    1.90 +
    1.91 +\subsection{Freie Software}
    1.92 +
    1.93 +Die Freie Software
    1.94 +ist in erster Linie eine ethische und politische Bewegung, bei der die
    1.95 +\emph{ Rechte }
    1.96 +der Menschen im Mittelpunkt stehen. Das wiederkehrende Leitbild ist
    1.97 +der Wunsch seinem Nachbarn etwas Gutes tun zu können. Dies soll
    1.98 +ermöglicht werden. Deshalb soll Software frei sein.
    1.99 +
   1.100 +Die Freie Software entstand in den 80er Jahren. Bis dahin
   1.101 +war alle Software \enquote{frei}. Sie war damals eine Beigabe zur Hardware.
   1.102 +Mit dem Beginn der 80er Jahre begannen Unternehmen in Software
   1.103 +eine Ware zu sehen, mit der man Geld verdienen kann.
   1.104 +\autocite[S. 13]{spiegel06}
   1.105 +Statt sie
   1.106 +kostenlos mit samt dem Quellcode der Hardware beizulegen, wie
   1.107 +zuvor, wurden die Programme, von da an, immer häufiger verkauft
   1.108 +und ihr Quellcode geheim gehalten.
   1.109 +Software wurde damit zu einem Produkt, das jemandem gehört.
   1.110 +(Der passende Begriff für unfreie Software ist deshalb
   1.111 +\enquote{proprietäre Software},
   1.112 +\autocite[S. 28]{spiegel06}
   1.113 +nicht aber \enquote{kommerzielle Software}.)
   1.114 +
   1.115 +Die Freie Software entstand daraufhin als Gegenbewegung, wobei sie
   1.116 +jedoch nicht den bisherigen Zustand abschaffen, sondern ihn
   1.117 +beibehalten wollte. Der unbeschränkte Austausch von Software in
   1.118 +Quellcodeform sollte erhalten bleiben. Die Freie Software ist demnach
   1.119 +in ihrem Kern von bewahrendem Charakter. Sie stellte sich den neu
   1.120 +aufkommenden Entwicklungen der damaligen Zeit, die heute zum
   1.121 +Normalfall geworden sind, entgegen.
   1.122 +
   1.123 +Wenn auch die Vorstellung, Software solle frei sein, in
   1.124 +Programmiererkreisen weit verbreitet war, so war es Richard M.
   1.125 +Stallman, der fast im Alleingang eine aktive Bewegung daraus machte.
   1.126 +Sie manifestierte sich insbesondere im Start des GNU-Projekts (1983),
   1.127 +in der Gründung der Free Software Foundation (1985)
   1.128 +und im Verfassen der General Public License (1989),
   1.129 +die alle von Stallman initiiert und vorangetrieben wurden.
   1.130 +
   1.131 +Die Kultur des freien Austauschs von Information und Software
   1.132 +entstammt primär dem universitären Umfeld. Stallman
   1.133 +selbst war am MIT verwurzelt. An der Westküste der USA,
   1.134 +v.a. an der University of California, gab es ähnliche Kulturen.
   1.135 +Der ethische Fokus der Freien Software und damit seine politische
   1.136 +Ausrichtung, die Stallman vertrat, waren jedoch in Californien
   1.137 +weniger präsent.
   1.138 +
   1.139 +Die Grundmotivation der Freien Software ist die ethische Ansicht,
   1.140 +dass Software keine Ware sein sollte die jemandem gehört, sondern
   1.141 +ein Gemeingut, das allen zur Verfügung steht. Die Analogie dazu
   1.142 +sind Kochrezepte, die ganz natürlich weitergegeben, nachgekocht
   1.143 +und abgewandelt werden.
   1.144 +
   1.145 +
   1.146 +\subsection{Open Source}
   1.147 +
   1.148 +Open Source, wenn auch ähnlich zur Freien Software, hat eine
   1.149 +andere Ausrichtung.
   1.150 +Sie schätzt vor allem die verbesserten Möglichkeiten und
   1.151 +die daraus resultierenden Konsequenzen,
   1.152 +die einem offen stehen, wenn der Quellcode von Software zur Verfügung
   1.153 +steht und dieser kopiert, verändert und verbreitet
   1.154 +werden darf. Die Grundmotivation ist damit pragmatischer Natur.
   1.155 +
   1.156 +Mitte der 90er Jahre nachdem Linux, der Kernel, verfügbar war,
   1.157 +als das Web sich verbreitete und Netscape im Browserkampf gegen 
   1.158 +Microsoft zu verlieren begann, sahen immer mehr Freie
   1.159 +Software-Befürworter Probleme an dem Begriff \enquote{Freie Software}
   1.160 +und an seiner
   1.161 +Ausrichtung. Das lag daran, dass das Wort \enquote{frei} (im Deutschen
   1.162 +wie im Englischen) zweideutig ist. Auch Stallmans regelmäßige
   1.163 +Aufklärung -- \enquote{Free software is a matter of liberty, not price.
   1.164 +To understand the concept, you should think of free as in free
   1.165 +speech, not as in free beer.}
   1.166 +\autocite{fsf-def}
   1.167 +-- löste dieses Problem nicht.
   1.168 +\autocite[S. 161f.]{williams02}
   1.169 +Folglich wollte das kommerzielle Softwarebusiness
   1.170 +nicht auf das Konzept aufspringen; zu stark war
   1.171 +die Assoziation zu \enquote{gratis}, wenn auch die
   1.172 +Freie Software nie gegen eine kommerzielle Verwertung war, sie ja
   1.173 +sogar befürwortet.
   1.174 +\autocite{selling-fs}
   1.175 +(\enquote{\enquote{Free software} does not mean \enquote{noncommercial}. A free program must
   1.176 +be available for commercial use, commercial development, and
   1.177 +commercial distribution. Commercial development of free software
   1.178 +is no longer unusual; such free commercial software is very
   1.179 +important.}
   1.180 +\autocite{fsf-def}
   1.181 +)
   1.182 +Aber das Image passte dennoch nicht, wegen der Zweideutigkeit des
   1.183 +Wortes \enquote{frei}.
   1.184 +In dem Bestreben die Freie Software auch im traditionellen
   1.185 +Softwarebusiness zu verankern, trafen sich 1998 verschiedene Freie
   1.186 +Software-Vertreter, um einen neuen, wirtschaftsfreundlicheren
   1.187 +Begriff zu finden. Das Ergebnis war die Bezeichnung \enquote{Open Source}.
   1.188 +\autocite[S. 162f.]{williams02}
   1.189 +
   1.190 +Stallman war zu diesem \enquote{Kick-off-Meeting} nicht eingeladen,
   1.191 +da er als zu starrköpfig und kompromisslos galt. Das Ziel der
   1.192 +Beteiligten war auch gerade eine Umorientierung, weg von der
   1.193 +ethischen und politischen Ausrichtung der Freien Software, die
   1.194 +Stallman mit Überzeugung vertrat.
   1.195 +Mit der pragmatischen, unpolitischen
   1.196 +Ausrichtung der Open Source-Bewegung und der Ausgrenzung von Stallman
   1.197 +spaltete sich die Gemeinschaft anschließend teilweise. Die eine
   1.198 +Gruppe hielt weiterhin am Begriff \enquote{Freie Software} fest und
   1.199 +stand für die ethischen Ziele ein; die andere Gruppe nannte es
   1.200 +\enquote{Open Source} und legte auf die technischen Aspekte wert.
   1.201 +Diese ideologische Spaltung war jedoch, und ist noch immer,
   1.202 +kein Hindernis der gemeinsamen Arbeit, der Kooperation und des
   1.203 +Austausches. (Neuere Bezeichnungen wie FLOSS, für \enquote{Free, Libre,
   1.204 +and Open Source Software}, zeigen eine wiedervereinigende
   1.205 +Motivation, wenn sie auch von vielen kritisch gesehen werden.
   1.206 +\autocite{floss-foss})
   1.207 +
   1.208 +Die Open Source-Bewegung hängt weit weniger an einer einzelnen Person
   1.209 +und den von ihr ausgehenden Organisationen und Projekten, als die
   1.210 +Freie Software mit Stallman.
   1.211 +Der Evangelist der Open Source-Bewegung ist Eric S. Raymond,
   1.212 +Zusammen mit Bruce Perens hat er 1998 die \emph{Open Source
   1.213 +Initiative} (OSI) gegründet.
   1.214 +Linus Torvalds, der den Kernel entwickelt hat, und Tim O'Reilly,
   1.215 +der Verleger, gehören aber ebenso zu
   1.216 +den Vertretern, wie inzwischen auch große Softwareunternehmen.
   1.217 +Open Source wird heutzutage durchaus businessfreundlich
   1.218 +wahrgenommen.
   1.219 +
   1.220 +Die Grundmotivation für Open Source ist die Ansicht, dass dieses
   1.221 +Entwicklungsmodell zu besserer Software führt. Durch die freie
   1.222 +Verfügbarkeit von Komponenten sowie durch offene Dokumentation und
   1.223 +offenen Code würden Entwickler schneller und besser arbeiten können.
   1.224 +Die Mitarbeit von Interessierten würde gefördert werden. Die
   1.225 +relevanten Nutzerwünsche würden schneller umgesetzt werden.
   1.226 +Angepasste Varianten würde eher entstehen. Die Ergebnisse
   1.227 +würden sich schneller verbreiten. Fehler und Sicherheitslücken
   1.228 +würden durch die freie Einsichtnahme in den Code schneller
   1.229 +gefunden und behoben werden.
   1.230 +Ob dem tatsächlich so ist und in welchen Fällen, bleibt
   1.231 +weiterhin umstritten.
   1.232 +
   1.233 +
   1.234 +
   1.235 +\subsection{Free Cultural Works}
   1.236 +
   1.237 +Mit den Free Cultural Works (FCW)
   1.238 +\autocite{fcw-def}
   1.239 +soll nun die Brücke von Software zu anderen Werken,
   1.240 +darunter wissenschaftliche Publikationen, geschlagen
   1.241 +werden. Bei den Free Cultural Works steht die Gemeinschaft und
   1.242 +deren Allmende (das Gemeingut) im
   1.243 +% XXX def allmende
   1.244 +Zentrum. Werke sollen der Gemeinschaft gehören, nicht einzelnen
   1.245 +Individuen. Ziel ist es, eine möglichst große Allmende
   1.246 +aufzubauen um so eine lebendige Kultur zu fördern.
   1.247 +
   1.248 +Diese Bewegung ist weit weniger bekannt und weniger abgegrenzt
   1.249 +als die anderen hier vorgestellten.
   1.250 +Sie soll hier als ein konkreter Vertreter einer Vielzahl von
   1.251 +ähnlichen Bewegungen, die allesamt die
   1.252 +Allmende stärken wollen, auftreten.
   1.253 +% Letztlich kann man die Free Cultural Works sogar
   1.254 +% als Obermenge aller hier vorgestellter Konzepte sehen, jedoch
   1.255 +% sollen sie in dieser Arbeit nur eine bestimmte, sonst nicht vertretene
   1.256 +% Ausrichtung füllen (vgl. Abb.\^1).
   1.257 +
   1.258 +Free Cultural Works wurde 2006 von Erik Möller, mit
   1.259 +Unterstützung von Richard Stallman, Lawrence Lessig und weiteren,
   1.260 +ins Leben gerufen.
   1.261 +Sie versuchten, im Kontext von Wikimedia, einen Standard zu legen,
   1.262 +was als \enquote{Free Content} angesehen werden kann.
   1.263 +Der Nutzen der Free Cultural Works liegt darin, die heterogene Vielzahl
   1.264 +von Lizenzen für intellektuelle und kreative Werke nach einem klaren
   1.265 +Freiheitsstandard zu klassifizieren. Seit 2008 ist das bei den
   1.266 +Creative Commons-Lizenzen der Fall: Nur zwei der sechs CC-Lizenzen
   1.267 +(und der Public Domain Dedication CC0)
   1.268 +ist die Erzeugung von Free Cultural Works bescheinigt.
   1.269 +Desweiteren vermitteln sie ein Bewusstsein für die Freiheit von
   1.270 +Werken. Wie auch bei der Freien Software stehen Free Cultural
   1.271 +Works nicht gegen die kommerzielle Verwertung, wohl aber gegen
   1.272 +das Eigentum an kulturellen Werken.
   1.273 +
   1.274 +
   1.275 +
   1.276 +\subsection{Open Access}
   1.277 +
   1.278 +Open Access ist ein Konzept des wissenschaftlichen
   1.279 +Publikationswesens.
   1.280 +Er hat im Kern das Streben nach dem Zugang zu Information. Es geht
   1.281 +dabei darum das Wissen aufzunehmen und sich darauf berufen zu können.
   1.282 +Die Wissenschaft soll nicht von dem von ihr selbst erzeugten Wissen
   1.283 +ausgeschlossen werden.
   1.284 +
   1.285 +Der Open Access entstand als Antwort auf die Zeitschriftenkrise der
   1.286 +90er Jahre. Er kam v.a. in den STM-Wissenschaften auf, da dort
   1.287 +Zeitschriftenartikel die Hauptpublikationsform darstellen. Open Access
   1.288 +soll eine Alternative zu den immer teurer werdende
   1.289 +Zeitschriftenabonnements, die zunehmend größere Teile der
   1.290 +Wissenschaftswelt den Zugang zum publizierten Wissen erschweren,
   1.291 +bieten. Im gleichen Zug spielt die
   1.292 +Unzufriedenheit der Autoren über die zumeist exklusiv abzutretenden
   1.293 +Rechten an ihren Werken mit. Auch die Frage,
   1.294 +wie es um die Notwendigkeit von Verlagen bestellt ist, wo das Internet
   1.295 +und umso mehr das Web mit Repositorien und Kommunikationskanälen
   1.296 +ähnliche Verbreitungsmöglichkeiten, ohne Rechteabtritt und quasi
   1.297 +kostenlos, bietet, steht im Raum.
   1.298 +
   1.299 +Im Gegensatz zur Entstehung der Freien Software, wo der Status Quo
   1.300 +beibehalten werden sollte, geht es beim Open Access darum eine
   1.301 +Neuordnung der Situation zu erreichen. Diese Neuordnung wurde
   1.302 +durch das Web, wo jeder selbst Verleger sein kann, ermöglicht.
   1.303 +Wo die Freie Software von einer einzelnen Person, Richard Stallman,
   1.304 +voran getrieben wird, und der Open Source eine gemeinsame Linie
   1.305 +vorherrscht, gibt es
   1.306 +beim Open Access eine Menge heterogener Akteure. So existiert
   1.307 +auch keine von allen anerkannte, klare Definition des Begriffs,
   1.308 +sondern eine Vielzahl von großteils impliziten oder schwammigen
   1.309 +Definitionen.
   1.310 +
   1.311 +Die zwei etablierten Open Access-Wege -- der Grüne und der Goldene
   1.312 +-- sollen hier nur kurz erwähnt werden, denn sie beschreiben
   1.313 +\emph{Umsetzungen} des Konzeptes, nicht aber das Konzept selbst.
   1.314 +Bei ihnen geht es um finanzielle Aspekte und den Ort der
   1.315 +Veröffentlichung. Für diese Arbeit sind sie nebensächlich.
   1.316 +
   1.317 +Open Access entspricht insofern der Ausrichtung von Open Source, da
   1.318 +es auch darin primär um pragmatische Aspekte geht. Der Wunsch der
   1.319 +Wissenschaftler ist es, schnell, einfach und kostenlos auf
   1.320 +wissenschaftliche Erkenntnisse zugreifen zu können, die konkrete
   1.321 +Rechtesituation oder gar der ethische Aspekt freien Wissens
   1.322 +stehen im Hintergrund. Bei Open Source ist jedoch
   1.323 +ein deutlich stärkeres Bewusstsein für eine klare Definition,
   1.324 +Rechtslage und Einheitlichkeit vorhanden.
   1.325 +Dies liegt wohl zum einen am Charakter seiner Beteiligten, die als
   1.326 +Programmierer genaue Definitionen schätzen, als
   1.327 +auch an ihrer Geburt aus der Freien Software,
   1.328 +die eine klare Rechtslage als eine Kernaufgabe sieht.
   1.329 +Nicht zuletzt ermöglichen auch anerkannte Leitfiguren
   1.330 +eine Einigung auf klare Worte.
   1.331 +
   1.332 +
   1.333 +
   1.334 +%###################################################################
   1.335 +\section{Realisierungen}
   1.336 +
   1.337 +Dieser Abschnitt stellt die Definitionen der verschiedenen
   1.338 +Konzepte und typische Lizenzen vor.
   1.339 +
   1.340 +
   1.341 +\subsection{Freie Software}
   1.342 +
   1.343 +Für die Freie Software gibt es eine Definition der Free Software
   1.344 +Foundation,
   1.345 +\autocite{fsf-def}
   1.346 +die vier Freiheiten umfasst. Sind diese gegeben, dann
   1.347 +wird ein Stück Software als frei angesehen:
   1.348 +\begin{itemize}
   1.349 +\item The freedom to run the program, for any purpose (freedom~0).
   1.350 +\item
   1.351 +The freedom to study how the program works, and change it so
   1.352 +it does your computing as you wish (freedom~1). Access to the
   1.353 +source code is a precondition for this.
   1.354 +\item
   1.355 +The freedom to redistribute copies so you can help your
   1.356 +neighbor (freedom~2).
   1.357 +\item
   1.358 +The freedom to distribute copies of your modified versions to
   1.359 +others (freedom~3). By doing this you can give the whole community
   1.360 +a chance to benefit from your changes. Access to the source code
   1.361 +is a precondition for this.
   1.362 +\end{itemize}
   1.363 +
   1.364 +
   1.365 +Die FSF pflegt eine Liste von Software-Lizenzen, die sie nach
   1.366 +dieser Definition als frei ansieht.
   1.367 +\autocite{fsf-licenses}
   1.368 +Die \emph{General Public License} (GPL)
   1.369 +\autocite{gpl}
   1.370 +ist die typische Lizenz für die Freie Software-Bewegung.
   1.371 +Sie basiert auf einem besonderen Konstrukt, dem
   1.372 +\emph{Copyleft}.
   1.373 +\autocite{copyleft}
   1.374 +Dieses erzwingt, dass
   1.375 +jedes abgeleitete Werk wiederum unter der gleichen Lizenz stehen
   1.376 +muss. Damit wird verhindert, dass ein Stück GPL-lizenzierter Code
   1.377 +jemals auf eine Weise genutzt werden kann, die nicht jedermann
   1.378 +gleichfalls zur Verfügung steht. Alle auf Copyleft-Werke aufbauenden
   1.379 +Werke werden also wiederum Freie Software sein.
   1.380 +Dieser Zwang wird von manchen als Einschränkung der individuellen
   1.381 +Freiheit angesehen, von anderen dagegen als Sicherung der Freiheit
   1.382 +aller.
   1.383 +
   1.384 +
   1.385 +
   1.386 +\subsection{Open Source}
   1.387 +
   1.388 +Die Open Source-Definition der Open Source Initiative
   1.389 +\autocite{osi-def}
   1.390 +ist eine leicht abgewandelte Formulierung der
   1.391 +Debian Free Software Guidelines,
   1.392 +\autocite{dfsg}
   1.393 +welche für die
   1.394 +GNU/\-Linux-Distribution \emph{Debian} entwickelt worden sind.
   1.395 +Die Ausrichtung auf die Bedürfnisse einer Distribution, also
   1.396 +eines Projektes, das verschiedene Programme sinnvoll
   1.397 +zusammenstellt, geeignet anpasst und dann als \enquote{Sammelwerk}
   1.398 +verbreitet, sind klar zu erkennen. Die Definition ist folglich
   1.399 +eine Checkliste,
   1.400 +die Lizenzen durchlaufen müssen, damit die damit lizensierte Software
   1.401 +in die Distribution aufgenommen werden kann. Gefordert werden:
   1.402 +
   1.403 +\begin{itemize}
   1.404 +\item Free Redistribution
   1.405 +\item Source Code
   1.406 +\item Derived Works
   1.407 +\item Integrity of The Author's Source Code
   1.408 +\item No Discrimination Against Persons or Groups
   1.409 +\item No Discrimination Against Fields of Endeavor
   1.410 +\item Distribution of License
   1.411 +\item License Must Not Be Specific to a Product
   1.412 +\item License Must Not Restrict Other Software
   1.413 +\item License Must Be Technology-Neutral
   1.414 +\end{itemize}
   1.415 +
   1.416 +
   1.417 +Eine präferierte Open Source-Lizenz gibt es nicht. Dem Charakter
   1.418 +von Open Source entsprechen BSD-artige Lizenzen aber am besten.
   1.419 +Der Kern deren Aussage lässt sich umgangsprachlich so zusammenfassen:
   1.420 +\enquote{Mache mit dieser Software was du willst, solange du sagst wer
   1.421 +sie geschrieben hat. Und erwarte keine Garantie oder Haftung für
   1.422 +irgendwas.}
   1.423 +
   1.424 +Zum allergrößten Teil entsprechen sich die Definitionen der OSI und
   1.425 +FSF bei der Frage, wie eine konkrete Lizenz klassifiziert wird:
   1.426 +\enquote{The two definitions lead to the same result in practice, but use
   1.427 +superficially different language to get there.}
   1.428 +\autocite{osi-faq}
   1.429 +
   1.430 +
   1.431 +
   1.432 +
   1.433 +\subsection{Free Cultural Works}
   1.434 +
   1.435 +Inspiriert von der Definition von Freier Software erfordern Free
   1.436 +Cultural Works folgende essentiellen Freiheiten:
   1.437 +\autocite{fcw-def}
   1.438 +\begin{itemize}
   1.439 +\item The freedom to use and perform the work
   1.440 +\item The freedom to study the work and apply the information
   1.441 +\item The freedom to redistribute copies
   1.442 +\item The freedom to distribute derivative works
   1.443 +\end{itemize}
   1.444 +
   1.445 +Daneben gibt es zusätzliche Anforderungen:
   1.446 +\begin{itemize}
   1.447 +\item Availability of source data
   1.448 +\item Use of a free format
   1.449 +\item No technical restrictions
   1.450 +\item No other restrictions or limitations
   1.451 +\end{itemize}
   1.452 +
   1.453 +Wenn auch keine weiteren Einschränkungen und Begrenzungen erlaubt
   1.454 +sind, so gibt es bestimmte Einschränkungen die akzeptabel
   1.455 +sind, ohne die essentiellen Freiheiten zu beeinflussen:
   1.456 +\begin{quote}
   1.457 +In particular, requirements for attribution, for symmetric
   1.458 +collaboration (i.e., \enquote{copyleft}), and for the protection of
   1.459 +essential freedom are considered permissible restrictions.
   1.460 +\end{quote}
   1.461 +
   1.462 +Typische Lizenzen für Free Cultural Works sind die zwei Creative
   1.463 +Com\-mons-Lizenzen CC BY und CC BY-SA, sowie die Public Domain
   1.464 +Dedication CC0. (Die anderen CC-Lizenzen sind unfrei im Sinne dieser
   1.465 +Definition.)
   1.466 +
   1.467 +Auch für Free Cultural Works gibt es eine Liste von
   1.468 +Lizenzen, die den Anforderungen genügen.
   1.469 +\autocite{fcw-licenses}
   1.470 +
   1.471 +
   1.472 +
   1.473 +\subsection{Open Access}
   1.474 +
   1.475 +Eine singuläre, anerkannte Definition, wie es für die anderen
   1.476 +Konzepte der Fall ist, gibt es für Open Access nicht.
   1.477 +Über die Jahre entstanden allerlei Definitionen, die sich teilweise
   1.478 +unterscheiden.
   1.479 +
   1.480 +Die erste Definition, die den Begriff \enquote{Open Access} verwendet
   1.481 +hatte, war die \emph{Budapest Open Access Initiative}
   1.482 +\autocite{budapest02}
   1.483 +in 2002. Sie definiert:
   1.484 +\begin{quote}
   1.485 +The literature that should be freely accessible online is that which
   1.486 +scholars give to the world without expectation of payment. [...] By
   1.487 +\enquote{open access} to this literature, we mean its free availability on the
   1.488 +public internet, permitting any users to read, download, copy, distribute,
   1.489 +print, [...], or use them for any other lawful purpose, without financial,
   1.490 +legal, or technical barriers other than those inseparable from gaining
   1.491 +access to the internet itself. The only constraint on reproduction and
   1.492 +distribution, and the only role for copyright in this domain, should be
   1.493 +to give authors control over the integrity of their work and the right
   1.494 +to be properly acknowledged and cited.
   1.495 +\end{quote}
   1.496 +
   1.497 +
   1.498 +Ein Jahr später erschien die
   1.499 +\emph{Berlin Declaration on Open Access to Knowledge
   1.500 +in the Sciences and Humanities}:
   1.501 +\autocite{berlin03}
   1.502 +\begin{quote}
   1.503 +The author(s) and right holder(s) of such contributions grant(s)
   1.504 +to all users a free, irrevocable,
   1.505 +worldwide, right of access to, and a license to copy, use,
   1.506 +distribute, transmit and display the work
   1.507 +publicly and to make and distribute derivative works, in any
   1.508 +digital medium for any responsible
   1.509 +purpose, subject to proper attribution of authorship ([...]),
   1.510 +as well as the right to make small numbers of
   1.511 +printed copies for their personal use.
   1.512 +\end{quote}
   1.513 +
   1.514 +(Sie basiert stark, teilweise sogar im Wortlaut, auf dem
   1.515 +\emph{Bethesda Statement on Open Access Publishing},
   1.516 +\autocite{bethesda03}
   1.517 +ebenfalls von 2003.)
   1.518 +
   1.519 +Hier sind abgeleitete Werke nun auch explizit beachtet.
   1.520 +Über die Budapester Erklärung hinaus geht auch die Forderung,
   1.521 +dass das Werk mitsamt aller Quellmaterialien in einem Repositorium
   1.522 +veröffentlicht werden muss.
   1.523 +Zudem
   1.524 +unterscheidet man zwischen der digitalen und materiellen
   1.525 +Vervielfältigung und Verbreitung. Das kann sicher als
   1.526 +Zugeständnis an das Verlagswesen gewertet werden. Bei der Freien
   1.527 +Software gibt es diese Unterscheidung nicht. Bei Open Source ist
   1.528 +sie sogar explizit ausgeschlossen.
   1.529 +Im Gegensatz zur Budapester Erklärung ist das Thema der Kosten
   1.530 +nicht so prominent präsentiert. Das entspricht der Situation bei
   1.531 +den Definitionen für Freie und Open Source Software --
   1.532 +libre, nicht gratis.
   1.533 +
   1.534 +Als typische Lizenzen für Open Access-Inhalte haben sich die
   1.535 +Creative Commons-Lizenzen etabliert. In der Neuauflage der
   1.536 +Budapester Empfehlungen von 2012
   1.537 +wird sogar explizit die CC BY-Lizenz empfohlen.
   1.538 +\autocite{budapest12}
   1.539 +Die Tendenz zu CC BY scheint sich (zumindest für
   1.540 +Zeitschriftenartikel) durchzusetzen.
   1.541 +Daneben sind aber auch die anderen CC-Lizenzen (v.a. CC
   1.542 +BY-NC, CC BY-ND und CC BY-NC-ND) verbreitet.
   1.543 +Was die reinen Quelldaten angeht, so werden diese inzwischen
   1.544 +zumeist unter CC0 veröffentlicht ... falls sie denn veröffentlicht
   1.545 +werden.
   1.546 +
   1.547 +
   1.548 +
   1.549 +\begin{table}[h]
   1.550 +\centering
   1.551 +\footnotesize
   1.552 +\caption{\textbf{Geforderte Rechte}}
   1.553 +\bigskip
   1.554 +\renewcommand{\arraystretch}{1.3}
   1.555 +\begin{tabular}{ l | c c c c c }
   1.556 +Definition & Nutzen$^{*}$ & Kopieren & Verbreiten & Verändern & Veränderungen verbreiten \\
   1.557 +\hline
   1.558 +FSF & \ding{51} & \ding{51} & \ding{51} & \ding{51} & \ding{51} \\
   1.559 +OSI & \ding{51} & \ding{51}$^{\dag}$ & \ding{51} & \ding{51} & \ding{51} \\
   1.560 +FCW & \ding{51} & \ding{51} & \ding{51} & \ding{51} & \ding{51} \\[9pt]
   1.561 +Budapest & \ding{51} & \ding{51} & \ding{51} & --- & --- \\
   1.562 +Berlin & \ding{51} & \ding{51}$^{\ddag}$ & \ding{51} & \ding{51} & \ding{51} \\
   1.563 +\end{tabular}
   1.564 +\medskip
   1.565 +\caption*{
   1.566 +\scriptsize
   1.567 +\begin{tabular}{l l}
   1.568 +$*$ & Betrachten, Lesen, Ausführen, etc. \\
   1.569 +$\dag$ & Nicht explizit erwähnt, aber notwendigerweise als
   1.570 +	Voraussetzung angesehen \\
   1.571 +$\ddag$ & Ausdrucke nur in kleinen Stückzahlen für den
   1.572 +	persönlichen Gebrauch \\
   1.573 +\end{tabular}
   1.574 +}
   1.575 +\end{table}
   1.576 +
   1.577 +
   1.578 +
   1.579 +%###################################################################
   1.580 +\section{Diskussion}
   1.581 +
   1.582 +\subsection{Freiheit}
   1.583 +
   1.584 +%--- freiheit
   1.585 +
   1.586 +Die verschiedenen Bewegungen scheiden sich an der Frage, was
   1.587 +als wichtiger angesehen wird, die Freiheit der Information
   1.588 +im Generellen oder ihr konkreter praktischer Wert zum aktuellen
   1.589 +Zeitpunkt.
   1.590 +
   1.591 +Die Freie Software-Bewegung legt größten Wert auf die Freiheit,
   1.592 +denn in ihr sieht sie die Voraussetzung für alle anderen
   1.593 +Bestrebungen.
   1.594 +Bruce Perens, der 1998 die Open Source Initiative mitgegründet
   1.595 +hatte, wandte sich ein Jahr später wieder davon ab und der
   1.596 +Freien Software zu, da für ihn der Wert der Freiheit wichtiger
   1.597 +erschien:
   1.598 +\autocite{perens-fs}
   1.599 +\begin{quote}
   1.600 +Most hackers know that Free Software and Open Source are just two
   1.601 +words for the same thing. Unfortunately, though, Open Source has
   1.602 +de-emphasized the importance of the freedoms involved in Free
   1.603 +Software. It's time for us to fix that. We must make it clear to
   1.604 +the world that those freedoms are still important, and that
   1.605 +software such as Linux would not be around without them.
   1.606 +\end{quote}
   1.607 +
   1.608 +Die Neuauflage der Empfehungen der Budapest Open Access Initiative
   1.609 +liefert im Bezug auf die Bedeutung der Freiheit eine Rangfolge in
   1.610 +erfreulicher Klarheit:
   1.611 +\enquote{[...] we recognize that gratis access is better than priced
   1.612 +access, libre access is better than gratis access, and libre under
   1.613 +CC-BY or the equivalent is better than libre under more
   1.614 +restrictive open licenses.}
   1.615 +\autocite{budapest12}
   1.616 +(Nur über die konkrete Empfehlung von CC BY und was hier
   1.617 +\enquote{equivalent} bedeutet lässt sich streiten.)
   1.618 +
   1.619 +%--- abhaengigkeit
   1.620 +
   1.621 +Kritisch am Open Access zu sehen ist die fortwährende
   1.622 +Abhängigkeit von der Verwertungsindustrie. Diese favorisiert,
   1.623 +verständlicherweise, den Goldenen Weg, welcher diese Abhängigkeit
   1.624 +beibehält. Die Verwerter-unabhängige Zugänglichmachung, auf dem
   1.625 +Grünem Weg, geht als \emph{Zweit}veröffentlichung in das
   1.626 +Verständnis der Wissenschaftler ein.
   1.627 +Wie anders wäre die Ausgangsbasis, würden die
   1.628 +Wissenschaftler die freien Repositorien als natürlichen ersten
   1.629 +Veröffentlichungsort wählen und anschließend in einem Verlag
   1.630 +zweitveröffentlichen! Zu abwegig scheint dieser Ansatz nicht zu
   1.631 +sein, denn beispielsweise mit dem Preprint-Server ArXiv ist die
   1.632 +Praxis in der Physik gar nicht so weit davon entfernt.
   1.633 +
   1.634 +%--- entscheidungsfreiheit
   1.635 +
   1.636 +Die idealistischen Bewegungen versuchen stets Abhängigkeiten zu
   1.637 +vermeiden um ihre eigene Entscheidungsfreiheit zu bewahren.
   1.638 +Dabei spielt die Zusammensetzung der Beteiligten eine Rolle.
   1.639 +Wie groß ist der Anteil derjenigen, die aus einem inneren Bedürfnis
   1.640 +heraus, meist in ihrer Freizeit, aktiv sind, und wie groß ist der
   1.641 +Anteil jener, für die es ein Job zum Lebensunterhalt ist?
   1.642 +Die erste Gruppe tut sich deutlich einfacher damit,
   1.643 +ihren persönlichen Vorstellungen nachzugehen. Die zweite Gruppe
   1.644 +befindet sich in der Abhängigkeit, immer auch Erwartungen
   1.645 +von außen entsprechen zu müssen. Ihre Entscheidungsfreiheit ist
   1.646 +schon von Beginn an beschränkt.
   1.647 +
   1.648 +%--- selbstbestimmung
   1.649 +
   1.650 +Die Bewegungen Freie Software, Open Source, und nicht zuletzt Free
   1.651 +Cultural Works zeigen eine Form der Selbstbestimmung der Urheber,
   1.652 +die der Open Access nicht erkennen lässt.
   1.653 +Der Grund mag darin liegen, dass bei ersteren eine größere Bindung
   1.654 +zum eigenen Werk vorliegt, als es bei den Wissenschaftler der Fall
   1.655 +zu sein scheint.
   1.656 +Die Angst, dass man das eigene Werk \enquote{verliert}, wenn man
   1.657 +Verwertern exklusive Nutzungsrechte einräumt, scheint bei den
   1.658 +Wissenschaftlern nicht allzu groß zu sein. Die Veröffentlichung
   1.659 +wird scheinbar mehr als Mittel zum Zweck gesehen. Wo aber das eigene
   1.660 +Werk hoch geschätzt wird, wird ein größeres Bewusstsein für
   1.661 +die (Urheber-)Rechtslage vorhanden sein. Unter freien Lizenzen
   1.662 +bleibt einem selbst sein Werk zwar nicht vorbehalten, man kann
   1.663 +aber die Rechte daran auch nicht verlieren.
   1.664 +
   1.665 +
   1.666 +
   1.667 +\subsection{Gemeingut}
   1.668 +
   1.669 +%--- zielgruppe
   1.670 +
   1.671 +Eine weitere Unterscheidung der Bewegungen lässt sich im Bezug
   1.672 +auf die Hauptzielgruppe treffen:
   1.673 +Geht es in erster Linie um die Interessen der Gemeinschaft oder
   1.674 +um die Interessen der Einzelperson?
   1.675 +
   1.676 +Alle vorgestellten Bewegungen haben die gesamte Menschheit im
   1.677 +Blick, wenn auch mit unterschiedlich stärkem Fokus darauf.
   1.678 +Sind also Ausnahmen für Untergruppen, wie beispielsweise
   1.679 +die Forschung und Lehre, akzeptabel oder nicht? Die Bewegungen,
   1.680 +die ethische Gesichtspunkte vertreten, verneinen. Die
   1.681 +pragmatischen Bewegungen sehen darin aber eine einfachere
   1.682 +Durchsetzbarkeit und somit mittelfristige Vorteile.
   1.683 +Ob durch das ungenutzte, weil ausgegrenzte Potenzial oder durch
   1.684 +immer wieder neu zu erkämpfende Grenzbereiche langfristige
   1.685 +Nachteile entstehen, bleibt zu klären.
   1.686 +Bei der Freien Software und den Free Cultural Works ist klar:
   1.687 +Zuerst dem Volk, dann den Verwertern.
   1.688 +Entscheidend dabei ist aber, dass nichts gegen eine kommerzielle
   1.689 +Verwertung spricht, nur darf dieses Bestreben die
   1.690 +Rechte der Allgemeinheit nicht beschränken.
   1.691 +
   1.692 +Ein schönes Beispiel für eine Verpflichtungserklärung der
   1.693 +Menschheit gegenüber ist der \emph{Debian Social Contract}.
   1.694 +\autocite{dsc}
   1.695 +Eine so klare und konkrete Erklärung der Wissenschaft der Menschheit
   1.696 +gegenüber wäre ein wertvolles Leitbild für die Open
   1.697 +Access-Bewegung. Die Open Access-Erklärungen enthalten zwar Leitbilder,
   1.698 +diese sind aber leider allzu oft voll wolkiger Worthülsen.
   1.699 +Verständlich ist das Bedürfnis, sich nicht festnageln lassen zu
   1.700 +wollen, gerade das jedoch wäre ein wichtiger Schritt in Richtung
   1.701 +Glaubwürdigkeit.
   1.702 +
   1.703 +%--- nc
   1.704 +
   1.705 +Die im Open Access verbreitete Tendenz zu
   1.706 +Non-Commercial-Ein\-schränk\-ung\-en (NC) gibt es bei den anderen Bewegungen
   1.707 +nicht. Dort sieht man in kommerziellen Angeboten einen Mehrwert,
   1.708 +auf den man nicht verzichten will.
   1.709 +Beim Open Access mag die Tendenz daher rühren, dass auch die
   1.710 +Verwerter selbst in der Bewegung aktiv sind und sich dieses
   1.711 +Marktfeld exklusiv reserviert halten wollen.
   1.712 +
   1.713 +Das Bedürfnis, zu verhindern, dass sich Andere am eigenen Werk
   1.714 +bedienen ohne etwas zurückzugeben, ist durchaus auch in den anderen
   1.715 +Bewegungen vorhanden.
   1.716 +Das Mittel der Wahl dagegen ist das Copyleft-Prinzip.
   1.717 +Dieses lässt die kommerzielle Nutzung sehr wohl zu, stellt aber
   1.718 +sicher, dass jeder die gleichen Möglichkeiten der kommerziellen
   1.719 +Nutzung hat und dass jedes aufbauende Werk dem ursprünglichen
   1.720 +Urheber (und jedem sonst) ebenfalls zur Verfügung steht.
   1.721 +
   1.722 +%--- copyleft
   1.723 +
   1.724 +Ob nun solche Copyleft-Lizenzen gut sind oder nicht, darüber ist
   1.725 +sich die Gemeinschaft nicht einig.
   1.726 +Beide Lizenztypen, die mit Copyleft (z.B. die GPL) und die ohne
   1.727 +(z.B. die BSD-artigen), bestehen
   1.728 +nebeneinander, und das schon seit dreißig Jahren. Es ist nicht
   1.729 +abzusehen, dass eine Art die Oberhand gewinnen würde.
   1.730 +Bei den Creative Commons-Lizenzen gibt es mit CC BY und CC BY-SA
   1.731 +ein äquivalentes Paar. (Dort wird \enquote{Copyleft} als \enquote{Share-alike}
   1.732 +bezeichnet.) Auch hier werden wahrscheinlich beide Arten nebeneinander,
   1.733 +gut möglich für unterschiedliche Publikationsformen,
   1.734 +fortbestehen, da sie unterschiedliche Vor- und Nachteile haben.
   1.735 +
   1.736 +
   1.737 +\subsection{Schlagkraft}
   1.738 +
   1.739 +%--- heterog.
   1.740 +
   1.741 +Ein großer Unterschied zwischen Open Access und den anderen
   1.742 +Konzepten ist die Menge seiner unterschiedlichen Beteiligten. Während
   1.743 +sich die anderen Konzepte um kleine Gruppen von ähnlich
   1.744 +Denkenden herum aufbauen, ist der Open Access eine Bewegung an der sehr
   1.745 +viele Personen, Institutionen und Unternehmen mit ihren
   1.746 +eigenen, unterschiedlichen Interessen mitformen, ohne dass es eine
   1.747 +klare Führung gäbe. Wenn auch von den Wissenschaftlern
   1.748 +initiiert, wirken nun auch viele andere Akteure mit.
   1.749 +Als Folge wird der Begriff \enquote{Open Access} inzwischen fast wahllos
   1.750 +verwendet. Die wissenschaftliche Gemeinschaft -- falls es die gibt
   1.751 +-- hat keine Form der Abgrenzung und Reinhaltung ihres Konzeptes
   1.752 +gefunden. Wie sollte sie auch, wo sie sich selbst noch nicht klar
   1.753 +ist, welche Werte und Forderungen sie denn vertritt.
   1.754 +Wo die anderen Bewegungen anerkannte Definitionen vorweisen können,
   1.755 +gelingt dies dem Open Access nicht.
   1.756 +Zu stark ist die systemimmanente Heterogenität der Wissenschaft.
   1.757 +Zu schwer fällt es den Wissenschaftlern sich zu organisieren,
   1.758 +zumindest sich schlagkräftig und konsequenzbereit zu organisieren.
   1.759 +Zu stark sind aber auch die Traditionen des Publizierens, mit
   1.760 +der starken Einflussposition der Unternehmen.
   1.761 +So sind es nun eben diese Unternehmen, die die Praxis des
   1.762 +Open Access prägen und ausgestalten. Nach anfänglichen
   1.763 +Startschüssen haben die Wissenschaftler heute die Kontrolle
   1.764 +großteils aus der Hand gegeben.
   1.765 +Von der Definition des Open Access bleibt als gemeinsamer Nenner
   1.766 +letztlich nur der kostenlose (Lese-)Zugriff, also der Wortsinn
   1.767 +des Begriffes selbst, übrig. Nur hierin sind sich alle Beteiligten
   1.768 +einig.
   1.769 +
   1.770 +%--- reinhaltung
   1.771 +
   1.772 +Anders bei der Open Source-Bewegung:
   1.773 +Als Microsoft mit seinem
   1.774 +\emph{Shared Source}-Konzept
   1.775 +auf den Open Source-Zug aufspringen wollte, wurde das als reine
   1.776 +Nutznießerei ohne erkennbare Unterstützung des Kerngedankens der
   1.777 +Open Source-Bewegung erkannt und verurteilt.
   1.778 +\autocite{perens-stand-together}
   1.779 +Folglich wendete sich die Gemeinschaft ab.
   1.780 +Diese aktive Abgenzung von reinen Trittbrettfahrern, die die Integrität
   1.781 +der Bewegung verwässern würden, fehlt dem Open Access bislang.
   1.782 +Sie setzt allerdings ein gemeinsames Selbstverständnis voraus.
   1.783 +
   1.784 +%--- pragmatismus.
   1.785 +
   1.786 +Leider herrscht bei den Wissenschaftlern oft ein Pragmatismus vor,
   1.787 +der lediglich den Erträglichkeitslevel akzeptabel halten will. Der
   1.788 +idealistische Wunsch der grundlegenden Verbesserung geht meist
   1.789 +neben den pragmatischen Anforderungen des Alltags unter.
   1.790 +
   1.791 +
   1.792 +
   1.793 +\subsection{Qualität}
   1.794 + 
   1.795 +%--- qualitaet
   1.796 +
   1.797 +Mit Bezug auf Open Source kann man für den Open Access
   1.798 +argumentieren, dass die Offenlegung aller Forschungsdaten und der
   1.799 +daraus entstehenden Publikationen zu besseren Forschungsergebnissen
   1.800 +führen kann. Das sogar auf mehrerlei Weise: Man bietet anderen
   1.801 +Forschern und sonstigen Interessierten die Möglichkeit Fehler zu
   1.802 +finden und weitere Erkenntnisse zu entdecken; es werden aufbauende
   1.803 +und zusammenführende Arbeiten gefördert; und nicht zuletzt
   1.804 +werden die Wissenschaftler, aufgrund der Gewissheit nachprüfbar zu
   1.805 +sein, sorgfältiger arbeiten. Diese Verbesserungen der
   1.806 +wissenschaftlichen Qualität müssen nicht eintreten, sie sind
   1.807 +aber wahrscheinlich. Nachteile durch die Offenlegung sind nur
   1.808 +zu befürchten, wenn die wissenschaftliche Ethik und
   1.809 +Selbstorganisation versagen.
   1.810 +Das bisherige Zögern der Wissenschaft mag von einem fehlenden
   1.811 +Selbstbewusstsein oder von zu starkem Herdentrieb stammen.
   1.812 +
   1.813 +
   1.814 +
   1.815 +\subsection{Fazit}
   1.816 +
   1.817 +%--- lernen aus fs
   1.818 +
   1.819 +Die in dieser Arbeit vorgestellten Konzepte zeigen Möglichkeiten,
   1.820 +wie sich Ziele und Wünsche vertreten lassen, so dass nebenrangige
   1.821 +Beteiligte weiterhin bestehen und wertschöpfend sein können,
   1.822 +ohne die zentralen Interessen zu gefährden.
   1.823 +Notwendig dafür ist eine Bewegung mit einem schlagkräftigen und
   1.824 +akzeptierten Kern an Wortführern und eine breite Basis von sich
   1.825 +einigen Anhängern. Diese muss klare Definitionen und
   1.826 +Ausrichtungen vorgeben und dann das Konzept rein halten.
   1.827 +
   1.828 +An sich ist die Wissenschaft mit den Open Access auf einem noch
   1.829 +guten Weg. Die vorhandenen Definitionen sind eine brauchbare
   1.830 +Ausgangsbasis, die bereits Konsolidierungstendenzen aufweist. Auch ein
   1.831 +Bewusstsein für die Situation und ihre Hintergründe wird
   1.832 +zunehmend geschaffen, gerade auch von den Bibliotheken.
   1.833 +Entscheidend ist aber, dass das Bemühen jetzt, wo die Verwerter
   1.834 +einzuschwenken beginnen, nicht nachlässt. Noch ist nichts
   1.835 +grundlegend geändert. Noch ist die Situation nicht gut,
   1.836 +nur nicht mehr untragbar. Jetzt ist der Zeitpunkt aktiv zu werden!
   1.837 +Jetzt muss die Wissenschaft ihr Selbstverständnis bestätigen!
   1.838 +Jetzt muss sie ihre Definition von Open Access klarer machen!
   1.839 +Jetzt muss die wissenschaftliche Gemeinschaft an ihrer
   1.840 +Selbstorganisation arbeiten!
   1.841 +Open Access-Pub\-li\-ka\-tionen müssen geschätzt werden! Der
   1.842 +Gemeinschaft vorenthaltene oder nur erschwert zugängliche
   1.843 +Publikationen müssen benachteilt werden! Das Geheimhalten von
   1.844 +Forschungsdaten muss kritisiert werden!
   1.845 +Was in der Berlin Declaration schon vor einem Jahrzehnt
   1.846 +gefordert wurde, muss die Praxis werden!
   1.847 +Die blinde Lobhudelei auf der Basis von naiven Kennzahlen muss aufhören!
   1.848 +
   1.849 +Es reicht aber nicht, die Wissenschaftler nur zu \enquote{bestärken}
   1.850 +und Open Access-Veröffentlichungen \enquote{anzuerkennen}.
   1.851 +Nein! Die Wissenschaft muss Open Access spürbar wertschätzen!
   1.852 +Die Umsetzung steht der Wissenschaft frei.
   1.853 +Sie muss sich nur selbst organisieren und dann ihre eigenen Werte leben.
   1.854 +
   1.855 +
   1.856 +\bigskip
   1.857 +\bigskip
   1.858 +\begingroup
   1.859 +\begin{quote}
   1.860 +\subsubsection*{Public Domain Dedication}
   1.861 +\footnotesize
   1.862 +\linespread{1.0}
   1.863 +\rightskip1.2cm
   1.864 +Für mich selbstvertändlicherweise ist dieses Werk frei (libre),
   1.865 +offen und transparent. Das fertige Dokument, sein Quellcode
   1.866 +(in Latex) und seine Entstehungsgeschichte (im Versionskontrollsystem)
   1.867 +stehen jedermann vollumfänglich zur Verfügung.%
   1.868 +\footnote{\url{http://marmaro.de/docs/bib/fs-oa/}.}
   1.869 +Mittels \emph{CC0 1.0 Universell}
   1.870 +\footnote{\url{http://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/}.}
   1.871 +verzichte ich weltweit auf alle urheberrechtlichen
   1.872 +und verwandten Schutzrechte, soweit das gesetzlich möglich ist.
   1.873 +\end{quote}
   1.874 +\endgroup
   1.875 +
   1.876 +
   1.877 +\clearpage
   1.878 +\printbibliography
   1.879 +
   1.880 +\end{document}